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SicherungsverwahrungFür immer drin

Die Strafgesetze wurden ab den 90er Jahren immer restriktiver, obwohl zum Beispiel die Zahl der Sexualmorde zurückging. Die Sicherungsverwahrung ist ein Beispiel dafür.

Bei der Sicherungsverwahrung wird der Verurteilte nach verbüßter Strafe nicht aus der Haft entlassen, sondern muss weiter im Gefängnis bleiben - bis er nicht mehr gefährlich ist. Bild: dpa

BERLIN taz Derzeit sitzen in Deutschland rund 500 Personen in Sicherungsverwahrung. Verglichen mit rund 60.000 Strafgefangenen und 15.000 Untersuchungshäftlingen ist die Zahl noch überschaubar. Dennoch war die Sicherungsverwahrung in den letzten Jahren rechtspolitisch hoch umstritten. Immer wieder wurden die gesetzlichen Grundlagen verschärft. Die Zahl der Betroffenen hat sich folglich seit 1993 verdoppelt. "Leichter rein, länger drin, schwerer raus" sei die Devise der Gesetzesänderungen gewesen, so fasste jüngst Klaus Tolksdorf, Präsident des Bundesgerichtshofs (BGH), die Reformen zusammen. Er meinte das kritisch.

Bei der Sicherungsverwahrung wird der Verurteilte nach verbüßter Strafe nicht aus der Haft entlassen, sondern muss weiter im Gefängnis bleiben - bis er nicht mehr gefährlich ist. Alle zwei Jahre werden die Verwahrten begutachtet.

Die praktische Bedeutung der Sicherungsverwahrung nahm allerdings immer mehr ab - bis in den 90er-Jahren Sexualmorde an Kindern zum Medienthema wurden. Obwohl die Zahl der Sexualmorde insgesamt zurückging, entstand anhand weniger Einzelfälle der Eindruck, Kinder würden zu wenig vor gefährlichen Rückfalltätern geschützt. Gerhard Schröder brachte 2001 als Kanzler die Volksstimmung auf den Punkt: "Wegsperren - und zwar für immer".

Eine der rund sechs Verschärfungen war besonders umstritten: So wurde 2005 bundesweit die sogenannte "nachträgliche Sicherungsverwahrung" eingeführt. Bis dahin musste die Verwahrung bereits mit dem Strafurteil ausgesprochen werden. Jetzt konnte sie auch kurz vor der Entlassung angeordnet werden. Bedingung ist allerdings, dass sich die fortdauernde Gefährlichkeit erst in der Haft erweist. Die Strafgerichte haben diese Einschränkung bisher sehr streng beachtet. Eine nachträgliche Korrektur des Strafurteils lassen sie nicht zu. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung kam kaum zur Anwendung. Die meisten Anträge wurden abgelehnt, weil sie nicht auf neue Erkenntnisse gestützt werden konnten. Dies führte dazu, dass immer wieder Straftäter nach Verbüßung ihrer Haft entlassen werden mussten, obwohl sie laut Gutachten als gefährlich galten.

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2 Kommentare

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  • RV
    Rattenfänger von Hameln

    Nur weil populistischer Politiker Stimmen brauchte...........

     

    Gerhard Schröder, ich hätte gerne auf Sie als Bundeskanzler verzichtet!

    Sie sind in meinen Augen -noch vor Helmut Kohl- der schlechteste Bundeskanzler, den die BRD bis jetzt hatte.

  • P
    Peter

    "Dies führte dazu, dass immer wieder Straftäter nach Verbüßung ihrer Haft entlassen werden mussten,..."

     

    Es ist echt ein Unding, dass in einem Rechtsstaat Menschen nach Verbüßen ihrer Strafe aus der Haft entlassen werden! (Oder zeichnet sich gerade dadurch ein Rechtsstaat aus?!?)