Sicherungsverwahrung in Niedersachsen: Neue Nachbarn für die JVA

Niedersachsen stellt neue Unterbringung in Rosdorf bei Göttingen vor. Die Prämisse: Weg von der Bevölkerung - und von Strafgefangenen.

Kriegen die Neuen, so die Pläne, nicht zu sehen: Hof der Justizvollzugsanstalt Rosdorf bei Göttingen. Bild: dpa

HAMBURG taz | Sicherungsverwahrte in Niedersachsen sollen künftig auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt (JVA) Rosdorf bei Göttingen untergebracht werden. Mit dieser Bekanntmachung hat Landesjustizminister Bernd Busemann (CDU) auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai reagiert.

Das Gericht hatte darin die bisherigen Regelungen zur Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig erklärt - eine Reaktion auf zahlreiche Rügen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der diesbezüglich immer wieder die deutsche Praxis kritisiert hatte.

Auf dem Gelände in Rosdorf wird deshalb ein Neubau errichtet, der sich von dem des üblichen Strafvollzugs unterscheiden soll: Die Verwahrten werden in kleinen Apartments wohnen statt in Zellen, mit eigenem Schlüssel für die Wohnräume und beschränktem Zugang zu Internet und Telefon. Ein von der JVA getrenntes, elf Hektar großes Freigelände können sie als Garten selbst gestalten und die JVA-Arbeitsbereiche nutzen.

10 bis 12,5 Millionen Euro wird der Neubau kosten und soll laut Ministeriumssprecher Georg Weßling bis Ende 2012 fertig sein. Das Gerichtsurteil sieht vor, dass die Betroffenen spätestens im Mai 2013 eine neue Unterbringung bekommen sollen.

Zurzeit gibt es laut Ministerium 39 Sicherungsverwahrte in Niedersachsen, das neue Gebäude wird auf 54 Insassen ausgelegt. Die insgesamt 79 Sicherungsverwahrten aus den fünf Nordländern werden demnach auf zwei Standorte verteilt, neben Rosdorf voraussichtlich in Hamburg.

Das neue Gesamtkonzept der Sicherungverwahrung soll laut Verfassungsrichter "freiheitsorientiert" und "therapiegerichtet" sein.

Die Unterbringung soll sich vom Strafvollzug unterscheiden. Das heißt: größere Zellen, keine Gitter vor dem Fenster.

Die Sicherungsverwahrten müssen therapiert und auf ein Leben in Freiheit vorbereitet werden.

Die Verwahrung gilt als "letztes Mittel", wenn die Therapie während der Strafhaft missglückt ist.

"Auch der Standort Wolfenbüttel war in der engeren Auswahl", sagt Ministeriumssprecher Weßling. Die nötigen Sicherheitsstandards waren dort zwar erfüllt, "doch es war uns zu nah am Stadtzentrum".

Elf Sicherungsverwahrte könnten zum Ende des Jahres in Niedersachsen auf freien Fuß kommen. Vor 1998 verurteilt, gelten sie als so genannte "Altfälle", bei denen Gutachter prüfen sollen, ob sie tatsächlich "hochgradig gefährlich" sind und weggesperrt bleiben müssen.

Vom Bund forderte Minister Busemann schnellstmöglich die Entwicklung von Leitlinien, wie die Sicherungsverwahrung künftig gestaltet werden soll. Eckpunkte sollen bis August vorliegen. Die mitregierende FDP hält Busemanns Entscheidung für sinnvoll, auch die oppositionelle SPD sieht im neuen Standort alle Auflagen erfüllt.

Sie plädiert aber ausdrücklich dafür, die sozialtherapeutischen Maßnahmen aufzustocken: Nur so könne eine Wiedereingliederung der Sicherungsverwahrten in die Gesellschaft tatsächlich möglich bleiben.

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