Sicherheit der Atomforschung: Versuchsreaktoren fallen durch
Erstmals sind Forschungsreaktoren einem Stresstest unterzogen worden. Die in Mainz und Berlin sind nicht sicher, deshalb gibt es ein neues Notfallhandbuch.
BERLIN taz | Die wichtigste Expertenkommission zur nuklearen Sicherheit in Deutschland hat Zweifel an der Sicherheit der Forschungsreaktoren in Berlin und Mainz.
Der Hauptstadtreaktor würde selbst dem Absturz eines kleinen Verkehrsflugzeuges nicht standhalten, schreibt die Reaktorsicherheitskommission (RSK) in einem gestern auf ihrer Internetseite veröffentlichten Bericht.
Das Expertengremium hatte nach dem Atomunfall in Fukushima auf Verlangen des Bundestags erstmals einen Stresstest für Forschungsreaktoren durchgeführt. Sie sind etwa 100 Mal kleiner als Kernkraftwerke, trotzdem gehen auch von ihnen Gefahren aus.
Sollte es im Reaktor BER-II des Helmholz-Zentrums in einem Waldgebiet am südwestlichen Rand von Berlin zu einer Kernschmelze kommen, müsste eine Evakuierungszone von drei Kilometer Radius errichtet werden, zitiert die Kommission den Betreiber. Außerdem müssten in einem Umkreis von 20 Kilometern Jodtabletten an Kinder verteilt werden.
„Nach Meinung der RSK sollten weitergehende Überlegungen zur Robustheit des BER-II bezüglich Flugzeugabsturz angestellt werden“, heißt es in dem Bericht. Die 30 Uran-Brennstäbe in dem 1973 erbauten Reaktor schwimmen in einem Wasserbecken mit einer zwei Meter dicken Betonwand. Das Reaktorgebäude selbst ist nicht gegen Flugzeugabstürze gesichert.
Auf neuen Flughafen warten
Die wohl sicherste Schutzmaßnahme, der Bau einer Betonkuppel wie bei Kernkraftwerken, ist nach Darstellung des Helmholz-Zentrums nicht möglich. Dafür müsse man die Anlage komplett abreißen, sagte Institutssprecherin Ina Helms der taz. Man überarbeite das Notfallhandbuch, den Katastrophenschutzplan sowie das Brandschutzkonzept.
Nur drei Kilometer östlich des Versuchsreaktors am Wannsee führen mehrere Abflugrouten für den neuen Airport Berlin Brandenburg vorbei. Die Deutsche Flugsicherung will die Korridore jedoch nicht ändern. „Es gibt keine gesetzlichen Vorschriften, dass atomare Anlagen nicht überflogen werden dürfen“, sagte ein Sprecher. Die Berliner Senatsverwaltung für Umwelt will abwarten, bis der neue Flughafen in Betrieb geht und die Flugfrequenz prüfen.
Für den Forschungsreaktor Mainz mahnt die RSK weitere Untersuchungen zu den Folgen von brennendem Treibstoff nach einem Flugzeugabsturz an. Die RSK weist darauf hin, dass sie sich auf Angaben der Universität verlassen musste. Aus den Unterlagen ließe sich nicht erkennen, ob die Aussagen atomrechtlich geprüft und bestätigt seien.
Die Atomaufsicht im Wirtschaftsministerium von Rheinland-Pfalz hält eine Auslegung des Reaktors gegen Flugzeuabstürze wegen der „inhärenten Sicherheit und der geringen Brennstoffmasse“ für nicht erforderlich.
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