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Archiv-Artikel

Showdown in Nadschaf

Sechs Tage Kämpfe in Irak zwischen US-Truppen und schiitischen Milizen, hunderte Tote: In der heiligen Stadt droht die Entscheidungsschlacht – und eine Ausweitung des Schiitenaufstands

NADSCHAF afp/rtr/taz ■ Die Kämpfe zwischen dem US-Militär und den radikalen Milizionären des Schiitenführers Muktada Sadr in der irakischen Stadt Nadschaf verschärfen sich. Gestern lieferten sich US-Soldaten und Milizionäre den sechsten Tag in Folge heftige Gefechte vor allem um den 15 Quadratkilometer großen Friedhof der Stadt, ein schiitisches Heiligtum, in dem sich die Milizen verschanzt haben. Die US-Armee nahm das Gelände mit Kampfhubschraubern, Panzergeschossen und Artillerie unter Beschuss. Aus der Nähe des Schreins des Imams Ali stieg eine dicke Rauchsäule auf. Die irakische Polizei rückte mit Lastwagen in die Gegend vor. Einwohner im Zentrum von Nadschaf sagten, sie fürchteten einen Großangriff der US-Armee. Zuvor hatte diese die Zivilbevölkerung erstmals zum Verlassen der Kampfgebiete aufgefordert.

Am Vortag hatte Sadr angekündigt, seine Anhänger würden bis „zum letzten Blutstropfen“ kämpfen und die eroberten Gebiete keinesfalls räumen. Nach US-Angaben wurden bei den Kämpfen in und um Nadschaf seit Donnerstag mindestens 360 schiitische Kämpfer und fünf US-Soldaten getötet. Krankenhausmitarbeiter sagten, unter den Toten seien 24 Zivilisten. Die polnischen Streitkräfte gaben am Montag in Anbetracht der „verschlechterten Sicherheitslage“ die Kontrolle über die Provinzen Nadschaf und Kadissijah an die US-Armee zurück, die sie erst zehn Tage zuvor übernommen hatten.

Auch Bagdad kam trotz einer am Montag von der Übergangsregierung verhängten Ausgangssperre nicht zur Ruhe. In dem hauptsächlich von Schiiten bewohnten Stadtteil Sadr City schlugen gestern Mittag Granaten und Raketen ein. Rebellen beschossen die Ministerien für Inneres und die Wasserversorgung. In der Nacht feuerten sie mehrere Raketen auf die Grüne Zone ab, in der sich Regierungsgebäude und die US-Botschaft befinden. Das Gesundheitsministerium erklärte, binnen 24 Stunden seien in der Hauptstadt mindestens zwölf Menschen getötet und 127 weitere verletzt worden.

Sadrs Anhänger drohten unterdessen, ihren Aufstand auf andere Städte auszuweiten: Mitglieder der Mehdi-Armee erklärten am Montag, die südliche Hafenstadt Basra „in ein zweites Nadschaf“ verwandeln zu wollen. Nach Anschlagsdrohungen von Sadr-Anhängern wurde die Ölförderung am Montag vorerst eingestellt. Der Export wurde von 80.000 auf 35.000 Barrel pro Stunde heruntergefahren.

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