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Show des Autors Frank SchätzingSo könnte die Zukunft sein

Ein Gesamtkunstwerk aus Bestseller, Show und Weltrettung: der Autor Frank Schätzing auf großer Tour durch Deutschlands Hallen.

"Lesen kann jeder selbst": Frank Schätzing. Bild: dpa

So etwas wie Frank Schätzing und sein Programm "Limit Live" hat man noch nicht gesehen. Das ist zunächst keine qualitative Behauptung, sondern will darauf hinweisen, dass es sich bei der Tour eines der erfolgreichsten deutschen Schriftsteller der Gegenwart um einen Prototypen handelt. Die Frank-Schätzing-Show, konzipiert für Hallen zwischen 1.000 und 2.000 Plätzen, mit Licht, Sound und allem, was der multimedial konditionierte Kultur- und Medienkonsument von heute so braucht. Entwickelt aus seiner Grundannahme: "Lesen kann jeder selbst."

Schätzing, 52, wurde 2004 mit seinem sechsten Buch zum Bestsellerautor. "Der Schwarm" verkaufte sich bisher knapp vier Millionen Mal. Der Nachfolger "Limit" war bei Erscheinen im vergangenen Oktober bereits ein paar hunderttausend Mal verkauft. "Limit" beschreibt ein Zukunftsszenario im Jahr 2025 mit auseinandergedrifteten Gesellschaften und zwei Staaten (USA, China), die gegeneinander und mit einem multinationalen Konzern um die Weltmacht streiten. Und um den Mond, wo man den Energieträger Helium-3 abbaut und damit die Frage der sauberen Energieversorgung gelöst hat. Eigentlich. Das Buch ist eine Mischung aus James Bonds "Moonraker", Thomas Manns "Der Zauberberg", unterhaltender Wissensvermittlung - und Beschäftigung mit zentralen Zukunftsfragen der Menschheit.

An diesem Tag sitzt Schätzing zwischen zwei Auftritten in einer Hotel-Lobby in Leipzig. Entspannte Atmosphäre. Er spricht über ein Grundmissverständnis gegenüber seiner Arbeit: "Die Leute glauben, ich schriebe die Bücher so, dass sie verfilmt werden können. Es ist umgekehrt. Ich schreibe meine inneren Filme auf." Er sei mehr vom Film als von der Literatur beeinflusst. Selbstverständlich feilt er an seinen Sätzen, aber Sprache sei kein "grundlegendes Stilmittel wie bei anderen". Keinesfalls ordne sich die Geschichte der Sprache unter. Er sieht sich als "Geschichtenerzähler". Auf der Bühne wolle er "den Kosmos, der im Buch entwickelt wird, erweitern. Mit allen medialen Möglichkeiten - weil meine Stories das hergeben." Er verwandelt die Verschriftlichung in Bilder zurück oder fügt ihnen Töne hinzu. Selbstkomponierte. Schätzing ist Musiker, spielte in diversen Bands und wollte eigentlich Popstar werden.

Bild: taz

Diesen Text finden Sie auch in der aktuellen sonntaz - am 6. und 7. März gemeinsam mit der taz am Kiosk erhältlich.

Nun sind Sie es geworden?

"Sieht ein bisschen so aus. Ich hab mir schon als Teenie vorgestellt, welchen Spaß es machen muss, die Halle zu rocken. Ein bisschen das, was ich heute mache. Ich bin nicht der Typ, der sich zum Vorlesen an ein Tischlein setzt. Ich bin auch nicht wirklich Schriftsteller, ich bin Musiker." Falls das Ironie sein sollte, ist sie schwer auszumachen.

Sein Verleger Helge Malchow hat ihn jedenfalls nicht schubsen müssen, weil er eine Marktlücke sah? Nee, nee. Es war seine Idee. Schätzing sei "eine Ausnahme", sagt Malchow, weil er sich eben "auch als Entertainer" verstehe. Und er war zwanzig Jahre Werbe-Kreativchef, war Grafiker, Illustrator, Kundenberater, Texter und versteht sich auf "Gesamtkonzepte". Vom Design des Buchtitels bis zur Inszenierung des Liveprogramms. "Es gibt auch Leute, die sagen: Schätzing, muss das denn sein, immer alles mit Pauken und Trompeten, das hat doch mit Literatur nichts mehr zu tun." Es muss nicht. Aber er will es so.

Und also beginnt der Abend, wie auch das Buch, mit Frank Sinatra. Für die Ohren. Und einer Roland-Emmerich-Hommage für die Augen. Auf einer zehn Meter breiten Leinwand. Es folgt eine Lesepassage - vom elektronischen Lesegerät, nicht vom Produkt gefällter Bäume. Dann die Einspielung einer Nachrichtensendung des Jahres 2025. Dann macht Schätzing Stand-Up-Comedy. Der Schauspieler Jan Josef Liefers erscheint auf der Leinwand in der Rolle des Romanhelden Owen Jericho. Schätzing spricht live mit der Video-Aufzeichnung wie früher Wim Thoelke mit Wum und Wendelin. Er trägt Jeans und Hemd, fühlt sich komplett wohl auf der Bühne und amüsiert sich ganz offenbar köstlich.

Wenn man das ernsthaft kritisieren will, so muss man es innerhalb dessen kritisieren, was es sein will: ein intelligent unterhaltendes Spektakel. Und nicht dafür, dass es das sein will. Das ist nicht der Versuch, Literatur zu überwinden, wie ein empörter Kritiker fürchtet. Sondern der noch nicht perfekte Versuch eines Anfangs von etwas Neuem. In der Absicht friedlicher Koexistenz mit der klassischen Lesung.

Es ist auch nicht zu vergleichen mit Büchern von Comedians, deren Live-Präsentation eine Verlängerung ihres Stand-Up-Programms ist.

Analog zum Live-Comedy-Boom allerdings scheint auch Schätzing ein neues Publikum in die Hallen zu ziehen, das sich für konventionelle Formate nicht unbedingt aus dem Sessel quälen würde. Womöglich sogar Leute, die nicht lesen. Wenn also mit "New York, New York" der US-amerikanische Respekt vor hochklassigem Entertainment anklingt und Sinatra die Chiffre für Topniveau ist, dann könnte man sagen: Bis Sinatra ist noch etwas Spielraum.

Schätzing fühlt sich übrigens vom Feuilleton in den vergangenen Jahren nicht schlecht behandelt. Er mag nur nicht in die Schublade des bösen Werbers gesteckt werden, der Literatur eventisiert. Aber, wie das so ist: "In schlechten Zeiten gewinnen die Fundamentalisten die Oberhand, ob in der Religion oder im Feuilleton."

Er stellt einen "Hang zum Katastrophismus" in Deutschland fest. Das geht ihm auf den Keks. "Wir sind Weltmeister im Jammern und Weltmeister im Schwarzmalen." Er selbst habe keine Botschaft, das sagt er im Gespräch ausdrücklich. Aber aus seiner Show kann man ohne große Dechiffrierkunst inmitten all des Spektakels eine moralische und politische Ansage heraushören. Sie lautet: Wer Zukunft nicht aktiv gestaltet, hat keine. Oder will keine. Er ist für Zukunftsoptimismus, aber auf der Grundlage der Bereitschaft zur Gestaltung dieser Zukunft. Sein Buch, seine Show sind sein Beitrag: So könnte Zukunft sein. Ganz und gar nicht perfekt, aber auch kein Desaster. Und es findet sich immer noch etwas zum Lachen.

Hier muss man auf einen weiteren Aspekt von Schätzings Person und seiner Arbeit zu sprechen kommen: Das ist nicht seine Arbeit als Unterhosenmodel, sondern sein Fachwissen. Er will wissen, um zu verstehen. Im Ergebnis, sagt er, "erkläre ich mir mit Büchern die Welt". Sein Spektrum reicht vom populären Thema "Sex im All" bis zum Energie- und Klimaproblem des Planeten.

Das wird ja voraussichtlich bis auf weiteres nicht durch auf dem Mond abgebautes Helium-3 gelöst. Was also tun? "Wir sollten den Mix der alternativen Energien wesentlich stärker vorantreiben. Im Moment, meine ich, sollte man an der Solartechnologie weiterarbeiten, um den Wirkungsgrad zu erhöhen." Er weiß auch, wie man das hinkriegen könnte, und spricht detailliert darüber. In seiner Zukunft, also in "Limit", hat er den Wirkungsgrad der Fotovoltaikmodule um das Dreifache erhöht.

Wenn Schätzing über "Peak Oil" spricht, also den Zeitpunkt, ab dem die geförderte Erdölmenge weniger wird, dann ist das - believe it or not - noch spannender als Vor- und Nachteile von Erektionen in der Schwerelosigkeit. Es geht gar nicht darum, ob und wann Peak Oil erreicht ist: "Ich halte es für einen fatalen Fehler, erst den letzten Tropfen Öl aus der Erde rauszuholen und dann zu sagen, okay, jetzt machen wir was Neues." Er fände ein Szenario viel angenehmer, "in dem wir den letzten Tropfen drin lassen und vorher was anderes machen". In "Limit" wird Öl nicht mehr gefördert, weil es zu billig geworden ist. Das heißt: Die Menschheit rettet das Klima und damit sich, weil mit der Zerstörung kein Geld mehr zu verdienen ist.

Das ist nicht Science-Fiction. Das ist humanistischer Realismus.

Frank Schätzing auf Limit-Live-Tour im März: Düsseldorf (7.), Hannover (8.), Berlin (9.), Hamburg (10.), München (14.), Dresden (15.), Bremen (19.), Münster (20.), Dortmund (21.).

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2 Kommentare

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  • EK
    Ekkehard Knörer

    "Wenn man das ernsthaft kritisieren will, so muss man es innerhalb dessen kritisieren, was es sein will: ein intelligent unterhaltendes Spektakel. Und nicht dafür, dass es das sein will."

     

    Interessanter Satz. Nicht weniger als die Totalkapitulation von Kritik vor den Verhältnissen, die also die Grenzen ihrer Kritisierbarkeit selbst vorgeben.

  • A
    alcibiades

    Herr Lehrer, mein CMS hat die Hälfte vom Artikel gefressen!