Short Stories from America: Tue mir selbst furchtbar leid
■ Eine Kolumnistin als Opfer der Politik
Viele Amerikaner freuen sich, daß Clinton gewonnen hat. Politische Satiriker nicht. Der Stoff ist einfach nicht mehr das, was er einmal war.
Kein Rhodes-Stipendiat und Yale-Student würde sagen: „Ich habe die Macht eines Präsidentenwortes kennengelernt. Nicht notwendigerweise, um etwas durchzusetzen, aber die Macht des Wortes“ – wie Bush im letzten Winter. Clinton wird vermutlich auch nicht sein Verhältnis zu einem ausländischen Staatsoberhaupt mit den Worten beschreiben: „Ich bin kein besonders ausgeprägter Gemütsmensch“ – wie Bush nach seinem Treffen mit Gorbatschow. Wenn er nach Auschwitz kommt, wird Clinton sich die Äußerung verkneifen: „Junge, Junge, die hatten's aber mit Krematorien, was?“ – anders als Bush 1987. Die Verlage werden sich nicht um die Veröffentlichung der „Clinton-Blüten“ reißen, wie dieses Jahr um ein Buch mit „Bushismen“. Und Albert Gore kann nicht nur „potato“ buchstabieren, sondern sogar „tomato“. Herrgott, das Leben wird langweilig.
Ich tue mir selbst bereits furchtbar leid. Mein Stoff hat mich verlassen, die Führer der Nation, die doch Arbeitsplätze schaffen sollen, haben mich im Stich gelassen. Clinton bringt mich um meine Arbeit. Die besten Jahre meines Lebens habe ich ihr gewidmet, und nun werde ich an die Luft gesetzt, beiseite geschoben wie die Autoindustrie. Ich bin ein Opfer des politischen Prozesses!
Die große Wende in diesem Lande ist nicht der Übergang von den Republikanern zu den Demokraten. Die große Wende läuft ab in den Themen, über die man sich beklagen kann. Wenn man nicht mehr über eine harmlose kleine Rezession mosern kann, muß man etwas anderes finden. Die Nation ist schon eifrig dabei. Wenige Minuten, nachdem Clinton die Präsidentschaft angenommen hatte, hörte ich schon Leute meckern: „Jetzt wollen wir doch mal sehen, ob er überhaupt etwas zustande bringt.“ Wenige Tage nach der Wahl übte sich die Presse bereits in solchen Überschriften: „Was kann Clinton ändern, und wann?“ „Ist Clinton hart genug?“ „Kann Clinton eine Vision schaffen?“ „Die Früchte des Sieges: Mehr harte Arbeit“ „Clintons Wahl macht dem Rechtstrend im Obersten Gerichtshof ein Ende – aber kann er ihm auch ein neues Gesicht geben?“. Dies alles aus einer Zeitung, die den Mann unterstützte.
Sollen wir dem Burschen die Chance geben, auch nur die Farbe seines Schlipses zu ändern? Ich meine nein. Wir leben in einer Nation, wo alle Mitglieder unterdrückter Minderheiten zusammen 374 % der Bevölkerung ausmachen. Ein Sprecher der „Abhängigen“-Bewegung schätzte die Zahl der „erwachsenen Kinder“ von alkoholsüchtigen, überaus strengen oder lediglich kritischen Eltern auf 230 Millionen, mehr als die Zahl aller Erwachsenen in diesem Land. Nein, wir sollten keine Zuversicht empfinden, keine Tatkraft zeigen oder optimistisch in die Zukunft sehen – wir sollten meckern.
Deshalb möchte ich noch einmal sagen, wie scheußlich mir zumute ist, weil Bushs Jungens die Bühne verlassen – wie gottverlassen ich mich fühle, weil die New York Times schrieb, wie schön es doch sei, daß Bill und Al in vollständigen Sätzen reden. Wie sehr hat man mich zum Opfer gemacht.
Ich fühle mich so elend, daß ich mir ein kleines Geschenk gönnen werde – in Selbsthilfekursen nennt man das: dem „Kind in uns“ etwas Gutes tun. Ein letztes Mal werde ich über Bush und Konsorten schreiben.
Hier sind meine Vorschläge für Republikaner, die in den Ruhestand treten:
George Bush empfehle ich einen Posten bei Salman Rushdie. Mit all seinen Abbitten hat der die Iraner nicht dazu bewegen können, zu leben und leben zu lassen, und zwar buchstäblich. Vor zwei Wochen erhöhten sie den Preis auf seinen Kopf auf zwei Millionen Dollar. George seinerseits konnte den Kongreß und die Öffentlichkeit davon überzeugen, daß er nichts von dem Geschäft Waffen gegen Geiseln wußte, und nichts von Darlehen an den Irak. Sicherlich könnte er auch die Mullahs überzeugen, daß Rushdie von der Blasphemie in seinem kleinen Buch keine Ahnung hatte. Wer wäre besser geeignet, als Rushdies Iran-Botschafter zu fungieren, als der Mann, der nach dem Geisel-Deal, von dem er nichts wußte, im Iran eine Menge Einfluß hat, wie man mir erzählt?
Dan Quayle könnte Lateinamerikanern Latein beibringen.
Barbara braucht keinen neuen Job, weil sie immer noch ihren alten hat: George.
Marilyn Quayle braucht auch keinen neuen Job, denn als Ganztags-Hausfrau hat sie ja niemals einen gehabt.
Was mich angeht, empfehle ich mir die Mitgliedschaft bei den erwachsenen Kindern von Eltern oder, wie es der Komiker Jeffrey Esman nennt, bei den AA (Anonymen Anonymen), dem Zwölf- Stufen-Programm für Leute, die Zwölf-Stufen-Programme absolvieren.
Ach ja, wir dürfen Millie nicht vergessen, die Hündin der Bushs. Wie Al Gore im Wahlkampf einmal sagte, hat sie schon einen Job: Sie kann George beibringen, wie man sich auf den Rücken rollt und tot spielt.
Marcia Pally
Aus dem Amerikanischen von Meino Büning
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