piwik no script img

Short Stories from AmericaMit den Hühnern gekungelt

■ Whitewater ist Bill Clintons letzte Chance, den Tauglichkeitsbeweis fürs Präsidentenamt zu erbringen

Die Vereinigten Staaten stecken in einer Glaubenskrise – behauptet jedenfalls die Presse. Das Problem lautet Whitewater: Das untergräbt das Vertrauen der Menschen in das Präsidentenamt. Bob Herbert, ein Kommentator der New York Times, hat fast immer recht; und er schrieb: „Die Amerikaner brauchen das Bewußtsein, daß ihre Regierung s i e vertritt und nicht irgendeine Kabale aus großem Geld und politischen Schlaumeiern.“ Nicht nur Herbert schreit aus tiefstem Herzen, seit Whitewater über die Nation kam; ich habe darüber nachgedacht, und ich sage, das alles ist schierer Blödsinn.

Das amerikanische Volk braucht nicht das Bewußtsein, von der Regierung vertreten zu werden. Es braucht die Gewißheit, daß die Regierung mit den Reichen kungelt, denn wenn die gewählten Volksvertreter nicht helle genug sind, um aus ihren Beziehungen Geld zu machen, dann taugen sie auch nicht für ihre Jobs.

Deshalb liebte Amerika Ronald Reagan, dessen Präsidentschaft so viele Skandale aufwies wie selten zuvor in der amerikanischen Geschichte. Er bescherte uns die Iran-Contra, das Debakel der Sparkassen und die komplizierten Wendungen und Manöver seines Justizministers Edwin Meese. Deshalb liebten die Amerikaner auch George Bush, bis die Profite wegen der Rezession nicht mehr so üppig flossen. Deshalb gilt Nixon inzwischen als angesehener Staatsmann, dessen Bücher gelesen, dessen Aufsätze studiert werden. Es stört keinen mehr, daß er die Opposition ausspionierte und vertrauliche Dokumente stehlen ließ. Wenn ein Präsident sein Amt nicht dazu nutzen kann, die Opposition fertigzumachen, dann taugt er auch nicht für sein Amt. Und deshalb mußte Nixon gehen: Er nutzte seine Möglichkeiten nicht gut genug und ließ sich dann schließlich auch noch erwischen.

Was haben Bill und Hillary dagegen schon einzusetzen? Während Bill Gouverneur von Arkansas war, investierte Hillary ein bißchen Geld in Warentermingeschäfte und machte gutes Geld. Nicht so viel, wie Oliver North dem Steuerzahler aus der Tasche zog, um den Contras in Nicaragua Waffen zu liefern, aber immerhin – gutes Geld. Hillary investierte auf den Rat eines engen Freundes, einem der wichtigsten Anwälte für eine große Geflügelfarm in Arkansas. Das Parlament von Arkansas verabschiedete ein paar Gesetze, die dieser Firma zupaß kamen, wie zum Beispiel die Richtlinien für Regierungsdarlehen und für die Inspektion der Geflügelfarmen. Jetzt behauptet die Presse, die Clintons hätten mit den Hühnern gekungelt.

Wenn ich das richtig sehe, lautet das Problem nicht, daß Hillary aus Hühnern Geld machte, sondern daß die Clintons sich mit solchem Kleinkram abgaben. Als Bill und Hillary 1976 an der Universität von Arkansas lehrten, bezogen sie Gehälter von jeweils 18.090 Dollar jährlich – 4.000 Dollar über der Armutsgrenze. 1976 wurde Bill zum Justizminister des Staates ernannt, bei einem Gehalt von 26.500 Dollar. 1978, als Gouverneur, bekam er jährlich 35.000 Dollar. Hillary arbeitete in einer Anwaltskanzlei, die ihr 46.000 Dollar zahlte. Man kann also sehen, warum den Clintons die 100.000 Dollar Hühnergeld als große Summe vorkamen und warum sich die Öffentlichkeit heute über sie aufregt. Hätten sie doch Finanzinstitutionen im ganzen Lande ausgenommen oder Uzis in Bombern in faschistische Regimes geschmuggelt! Hühner – das ist doch keine Empfehlung für das höchste Amt der Republik.

Den Clintons wird auch vorgeworfen, sie hätten in den zwölf Jahren zwischen 1980 und 1992 insgesamt 16.000 Dollar zu wenig Steuern gezahlt. Das sind 1.333 Dollar pro Jahr – Hühnerfutter in Regierungskreisen, und deshalb taugt Bill nicht für das höchste Amt der Republik.

Der Whitewater-Skandal ist Bills große Hoffnung. Bei Licht betrachtet bietet er vielleicht den Tauglichkeitsnachweis für das Amt des Präsidenten. Aber sicher ist das nicht. Wie es der Karikaturist Jim Borgman andeutete, wissen wir über Whitewater nur soviel: Der Clinton-Freund und -Anwalt Vincent Foster beging im Weißen Haus Selbstmord, Arkansas-Milizen warfen seine Leiche in einen Park und entkamen per UFO, während auf dem Hügel in Dallas ein zweiter Schuß fiel und Hillary sich mit Elvis einließ. Marcia Pally

Aus dem Amerikanischen von Meinhard Büning

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen