Shopping in Berlin-Neukölln: 10 Dinge von der Sonnenallee
In den Läden der Straße gibt es mehr als nur Obst, Gemüse und Fleisch, das halal ist. Eine überraschende Einkaufstour in zehn Etappen.
1. Eine Armbanduhr mit kleiner Zugabe
Sie sehen wirklich sehr billig aus, die Uhren, die der fliegende Händler da verkauft. Ob es überhaupt jemanden gibt, der so etwas kauft? Und noch dazu an diesem doch arg provisorisch wirkenden Verkaufstischchen. Doch. Da kommen mehrere Männer, nehmen sich eine Uhr, begutachten sie, stellen ein paar Fragen. Nein, doch nicht. Sie legen die Uhren wieder hin.
Berlin wählt. Schon wieder. Die vergangene Wahl war ungültig. Niemand wundert sich darüber. Berlin gilt als kaputt. Geht überhaupt was in der Stadt?
Seit dem Jahreswechsel ist die Sonnenallee im Bezirk Neukölln in aller Munde. Für die einen ist sie Ausdruck einer virilen Großstadt, andere haben Angst, wenn sie nur an den vielen arabischen Läden vorbeigehen. Wer die oft arg aufgeregte Debatte um Clans und Paschas verfolgt, muss glauben, an der Sonnenallee entscheide sich das Wohl und Wehe aller Integrationsbemühungen.
Und sonst? Die Straße hat noch mehr Berlin zu bieten. Sie beginnt am Hermannplatz, wo ein gigantisches Kaufhausprojekt geplant wird. Das Gentrifizierungsgespenst geht um. Und sie endet da, wo früher Ostberlin war. Also: Schaut auf diese Straße!
Die taz widmet deeer Sonnenallee ein Dossier zur Berlin-Wahl.
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Vielleicht können sie ja mit dem Markennamen etwas anfangen? Rosra. Bei Amazon kann man sich auch eine Rosra-Armbanduhr bestellen. Über 300 Euro müsste man dafür zahlen. Der fliegenden Händler möchte nur 10 Euro haben. Die Uhr ist riesig. Etwas dezentere Zeitmesser sind auch im Angebot. Die gibt es schon für 5 Euro.
Wer sich nicht entscheiden kann, hat die Möglichkeit, an einem anderen Tag noch einmal zu kommen. Ob der Händler morgen wieder da ist? Vielleicht. Vielleicht aber auch da vorne. Er zeigt auf die andere Straßenseite. Klar, er ist ein fliegender Händler. Was er sonst noch im Angebot hat. Gebetskettchen und Männerschmuck. Ringe, Ketten und Plastikarmbänder, auf denen „Free Palestine!“ steht. Das passt zu den Plakaten auf der Hauswand, vor der er an diesem Tag seinen keinen Quadratmeter großen Stand aufgebaut hat.
Dort kleben Botschaften der Organisation Samidoun, dem „Palästinensischen Gefangenennetzwerk“. Eine lautet: „Free, free palestine – from the River to the Sea“. Auf einem anderen „Ruhm und Ehre für Nasser Abu Hmeid“. Wer im Netz den Namen eingibt, weiß bald, dass der Mann vor kurzem in israelischer Haft an Lungenkrebs gestorben ist.
Er war einer der Gründer der Terrororganisation „Al-Aqsa-Märtyrerbrigaden“ und war unter anderem wegen siebenfachen Mordes an israelischen Staatsbürgern zu lebenslanger Haft verurteilt worden. 3 Euro will der Händler für das Plastikband. Eigentlich zu viel. Am Ende macht er ein Angebot: Die große Rosra-Uhr zusammen mit einem Kettchen nebst Palästina-Anhänger für 10 Euro. Na bitte! Gekauft. (arue)
2. Eine Schallplatte mit Wiener Liedern
„Heut komm’n d’Engerln auf Urlaub nach Wien“. Das Lied darf natürlich nicht fehlen auf einer Platte mit dem Titel „Wien bleibt Wien“. Der Herr im blauen Kittel hinter der Ladentheke freut sich, wenn sich jemand über die Scheibe freut. 1 Euro will er dafür haben. Es ist ja auch kein Plattenladen, den er da betreibt.
Es sieht eher so aus, als wolle er loswerden, was er nicht mehr braucht. Seine alten Schlagerplatten zum Beispiel. Wer sich daran erinnern möchte, wie der ZDF-Moderator Dieter-Thomas Heck in seinen besten Jahren ausgesehen hat, kann sich die Scheibe „Superhitparade“ mit den Hits des Jahres 1983 holen. Kostet auch 1 Euro. „Major Tom“ ist da drauf und „Karl der Käfer“. Alte Bücher gibt es auch. „Das Buch Otto“ als Taschenbuch zum Beispiel. Oder „Das zweite Buch Otto“.
Was es kaum noch gibt, sind Dinge, die es normalerweise in einem Elektro-Fachgeschäft gibt. Das war der Laden nämlich mal. Steht auch noch drüber. Geht nicht mehr. Vorbei. Das Internet. Das meint der Inhaber. Er gehe auch nicht mehr in Wohnungen, um irgendetwas zu installieren. Zu alt sei er. 65. Bald hört er eh auf.
Dann verkauft er sein Geschäft. Das soll sich so richtig lohnen. Die Araber, sagt er, würden schon Schlange stehen. Das sei seine Lebensversicherung. Vielleicht macht er dann noch ein bisschen Schlüsseldienst von zu Hause aus. Das ist die Dienstleistung, die noch am besten läuft in dem Laden. Er kopiert Schlüssel.
6,50 Euro kostet das, wenn es ein einfacher Rohling ist. Aber auch das macht er nicht mehr lange. Schade eigentlich. Auch für die Mitglieder der „Kunstgruppe Gottlieb“. Die haben drei Röhrenfernseher ins ansonsten leere Schaufenster des Ladens gestellt. Darin läuft ihr Filmprojekt „Der Bericht einer Reise“ aus dem Jahr 2010 in Dauerschleife.
Den kenn ich doch, mag denken, wer sich das ansieht. Protagonist des Films ist Kostas Papanastasiou, der als Wirt Sarikakis in der TV-Serie „Lindenstraße“ eine wahre Berühmtheit gewesen ist. Er ist 2021 gestorben. 2020 wurde die letzte Folge der „Lindenstraße“ ausgestrahlt. Auch das ist also vorbei. (arue)
3. Ein Koran in deutscher Übersetzung
„Entschuldigen Sie, haben Sie vielleicht eine deutsche Ausgabe des Korans?“, frage ich die einzige Person im Laden. Die junge Frau steht mitten zwischen Regalen und Schränkchen, in und auf denen sich allerlei Spiegel mit eingravierten Sprüchen auf Arabisch, Teddybären mit „I love you“-Aufnähern und Chai-Kännchen türmen. Beim Reingehen bin ich fast über ein Mannequin mit burgunderfarbenem Kopftuch gestolpert. Bücher sehe ich tatsächlich keine.
Keine Ahnung, warum ich gerade hier reingelaufen bin, um nach einem Koran zu fragen – auf Deutsch. In der ganzen Mischung aus Farben, Samt und Schnörkeln strahlt die Frau im Laden eine außergewöhnliche Ruhe aus. Vor ihr ein Kinderwagen, das Kind darin erstaunlich still. Sie schaut mich stumm an und wiegt den Wagen vor und zurück. „Koran?“ Ich male ein rechteckiges Zeichen in die Luft und komme mir direkt unglaublich dumm vor. Sie nickt zum Glück und ruft irgendwas auf Arabisch in das Hinterzimmer. Ein grauhaariger Typ mit unglaublich weiß gebleichten, fast durchsichtig wirkenden Zähnen lächelt mich an.
Ich frage noch mal. Das weiße Lächeln weiter im Gesicht, schüttelt er den Kopf. „Ausverkauft.“ Okay. „Aber zu Ramadan kommen bestimmt wieder welche rein“, sagt er. Und dann noch: „22. März, dieses Jahr“, als er merkt, dass mir diese Information nicht wirklich weiterhilft. Ich nicke. „Aber mein Bruder, der weiß, wo Sie jetzt einen bekommen. Kommen Sie.“
Schon steht er vor der Ladentür. Ich folge ihm, nicke noch der Frau mit dem Kinderwagen zu, die weiter konsequent Ruhe ausstrahlt. Stolpere wieder über die Frau mit dem Burgund-Kopftuch zurück auf die Sonnenallee. Ich denke schon, wir gehen jetzt seinen Bruder und den Koran suchen. Doch dann ruft er ihn an, nickt, redet weiter, schaut zu mir rüber: „Er hat auch keinen. Aber bei der Moschee hinter der Aral-Tanke. Da gibt es welche.“ Mmh, mal schauen. (ruf)
4. Ein holziger Duft aus den Emiraten
45 Euro. Gar nicht mal so teuer für einen echten Thawb. Vielleicht ist die Qualität nicht so gut. Wer weiß? Bei „Oriental Style“ gibt es jedenfalls die bodenlangen, weißen Männergewänder, die in den Wochen der Winter-WM von Katar so präsent waren. Thawb genau, nicht Bademantel. Auch der Verkäufer im „Orient Style“ trägt ein bodenlanges Gewand. Es ist der Länge nach grün und schwarz gestreift. Hinter ihm im Regal stehen unzählige Flaschen mit golden glänzenden Etiketten und Verschlüssen. Darin sind Duftessenzen. Die scheinen sehr beliebt zu sein.
Ein junger Mann schnüffelt mit seiner Mutter an einem Duft nach dem anderen. Ein anderer junger Mann weiß genau, was er möchte. Er lässt sich ein Eau de Parfum in einen Zerstäuber abfüllen, zahlt und ist gleich wieder draußen. Der Verkäufer mit seinem langen, doch noch recht flaumigen Vollbart nimmt sich ein wenig Zeit für die Beratung. „Süß oder holzig“, fragt er. Süß kommt nicht in Frage. „Dann Oud“, meint der Verkäufer. „Oud?“. „Ja, weißes Oud.“ Man könne das auch auf der Website nachsehen, da seien alle Düfte aufgeführt.
Die Wahl fällt auf Nr. 70. „Dehn al oud abiyad“ steht drauf. Auf einem offiziellen Tourismusportal, das für Reisen nach Saudi-Arabien wirbt, ist zu lesen, dass „der besonders angenehme Geruch und die Tatsache, dass seine Herstellung etwa 300 Jahre dauert, Oud sehr teuer macht.“ Oud wird aus dem Holz des Adlerholzbaumes hergestellt, ist da auch zu lernen. Auf die Frage, woher die Essenzen stammen, meint der Verkäufer „Aus den Emiraten.“ Und er selbst? „Ich nicht“, sagt er, lächelt und kassiert. 15 Euro kosten 30 Milliliter. (arue)
5. Ein supergeiles Schoko-Sahne-Schnittchen
Es gibt Läden, an denen kann man nicht einfach völlig gleichgültig vorbeilaufen. Ganz sicher nicht, wenn schon im Schaufenster Schokolade und Karamell ineinanderfließen. Der Honig vom Baklava tropft. Die süße Sahne weich auf frischgebackenem Rührteig ruht. Ich gebe zu: ich kann der Versuchung nicht widerstehen. Ein Schnittchen kann man sich ja mal gönnen, denke ich, und betrete die Konditorei. Ein Klingeln ertönt, die Verkäuferin ist sofort zur Stelle.
„Was darf es sein?“
„Äh, die Auswahl überfordert mich etwas. Ich brauche eine Sekunde.“
Ein weiterer Kunde betritt den Laden und lässt derweil eine ganze Kuchenbox mit süßen Schnittchen füllen. Nur eins, Ruth. Nur eins, rede ich mir selbst zu. Eine beige Softeismaschine im Oldschool-50er-Jahre-Stil im Eingang des Raumes fällt mir ins Auge. Geil, denke ich. So was müsste man haben. „Kann man auch die Maschine kaufen?“, frage ich. Die Verkäuferin schaut mich irritiert an: „Die funktioniert nicht. Ist nur Deko.“ Und was für sexy Deko! Ich sehe sie schon in meiner WG-Küche stehen … „Aber kaufen kann man sie nicht?“, nerve ich weiter.
Sie schüttelt resigniert den Kopf. „Haben Sie sich jetzt entschieden, was Sie kaufen wollen?“ Ja, ich weiß, irgendwann muss ich einen Entschluss fassen. Ich blicke in die volle Theke. Schwierig, schwierig.. „Schoko-Sahne mit Oreo-Keks, bitte.“ Die Verkäuferin wirkt fast erleichtert, als sie mir das Tortenstück einpackt und kassiert. Glücklich laufe ich raus, setze mich an einen der Tische direkt vor den Laden und widme mich der Masse aus Zucker und Kakao. Hat sich gelohnt. (ruf)
6. Ein Glas schwarzer Tee mit Zucker
Dann läuft da auch noch eine Ratte über die Wiese vor dem Sonnen-Center. Ein junger Mann macht ein Foto und lächelt. Andere junge Männer streiten sich über das Baujahr des Autos, das sie gerade gesehen haben. Ob das diese Problemjugendlichen sind? Sie verschwinden in ihre Häuser, die es als Verbrecherkulisse der Serie „4 Blocks“ zu bundesweitem Ruhm gebracht haben.
Das Einkaufszentrum, für das von der Allee aus mit großen Tafeln geworben wird, ist wahrlich kein Shoppingparadies. Der Friseur scheint gut zu laufen, ein Supermarkt, ein kleinerer Lebensmittelladen und die Apotheke komplettieren die Grundversorgung.
Das Café Zimtschnecke mit seinen hausgemachten Backwaren ist der Sonnenschein des Centers. Zwei Läden stehen leer. An einem hängt ein Zettel des Berliner Vereins für Integration. „Dieses Büro ist ab sofort geschlossen“, steht drauf. Ein Laden sieht aus wie eine Sportwettenbude. Dort werden schon lange keine Wetten mehr abgenommen. „Das ist zehn Jahre her“, sagt der Mann hinter dem Tresen. Viel ist nicht los in seinem Café. Ein Glas Tee gibt es für 1,50 Euro. (arue)
7. Eine Einkaufstasche mit Rädern und Handbügel
Ein Zwiebelporsche ist hier nicht von gestern. Die praktische Einkaufstasche zum Rollen ist auch kein Statement. Oder gar schick, wie es alle paar Jahre wieder von irgendwelchen Leuten behauptet wird. Sie ist einfach normal. Frauen transportieren darin die Familieneinkäufe. Auch viele Männer sind damit unterwegs. Wer sich ein solches Rollwägelchen zulegen möchte, muss nicht weit suchen. Viel Geld muss er auch nicht investieren. Zwischen 10 und 25 Euro bewegen sich die Preise in den diversen Ramschläden auf der Sonnenallee.
Das ist nicht ganz leicht rauszukriegen. Es gibt Verständigungsprobleme. „Kaufen?“, raunzt der Mann hinter der Kasse eines Geschäfts auf die Frage, wie viel denn die Einkaufswagen draußen vor dem Laden kosten. Er gestikuliert. Man soll ihm wohl folgen. „Omar!“, ruft er. Dann noch einmal: „Omar!“ Der Gemeinte steigt aus einem Lieferwagen. Ob das der Kollege ist, der deutsch spricht? Auf die Frage nach dem Preis, zückt er sein Handy und tippt eine Zahl ein: 25. Richtig gut Deutsch kann er wohl nicht.
Auf der anderen Straßenseite wird ein ähnliches Modell verkauft. Hier gibt es auch Beratung. „Nehmen Sie den, der ist stabiler“, sagt der junge Kerl. Ein Gespräch kommt in Gang. Am Ende erklärt der Händler, wie der digitale Gebetswecker funktioniert, den er im Angebot hat. „The best help to remind you to pray“, steht drauf. Früher habe man auch mal verschlafen können, die Zeiten seien jetzt vorbei. Der Händler lacht. Den Rollwagen verkauft er für 15 Euro. (arue)
8. Eine vegane Wurstalternative für unterwegs
Guten-Morgen-Meditation. Eine Heilpraktikerschule in Selbstverwaltung. Ismakogie und Neuromobility-Training auf dem Blütenhof. Cacao Ceremnony Training. Yoga für Schwangere. Tango Argentino for Absolute Beginners. Zentherapie. Eine Ferienwohnung in der Uckermark. Wer einen Blick auf das Schwarze Brett in der Filiale der Bio Company wirft, bekommt ein Gespür dafür, was eine Parallelgesellschaft sein könnte.
Zwischen all den arabischen Lebensmittelgeschäften und Metzgereien, neben den unzähligen Imbissbuden und Schnellfressrestaurants hat sich der Biosupermarkt doch tatsächlich etabliert. Für Biodeutsche mag er ein echtes Refugium sein. Hier gibt es jedenfalls keine größeren Sprachprobleme. Die Kinder an der Wursttheke quengeln auf Deutsch. Die meisten jedenfalls. Auch Englisch ist zu hören.
Wer dem Imbiss-Wahnsinn draußen entfliehen möchte, wer keine Lust hat auf Frittiertes hat, kein viel zu billiges halbes Hähnchen will, wer Schawarma nicht mehr sehen kann, keine Falafel mag und schon gar keinen Döner, kann sich hier vollkommen korrekt stärken.
Mit einem „Chorizo Snacker“ etwa. 29 Prozent pflanzliches Protein kriegt man, laut Packungsaufdruck, mit dieser veganen Wurst auf der Basis von geräuchertem Seitan. Wem der Mut fehlt, die Packung zu öffnen, weil er mit veganen Ersatzprodukten noch fremdelt, sei beruhigt. Der Snacker ist ungekühlt bis März 2024 haltbar. Nicht schlecht für sparsame 1,49 Euro. (arue)
9. Eine Tasse Cappuccino mit Kuhmilch
Wolt-Fahrer möchte man nicht sein bei diesem Wetter. Auch kein Fahrer eines anderen Essenslieferdienstes. Bei nasskaltem Wetter stehen ein paar von ihnen in einer Schlange vor einem kleinen Café. Es ist eines jener seltenen Hipstereinsprengsel auf der Straße. Im vergangenen Jahr hat es aufgemacht. Schon von außen sieht man, dass darin an Laptops gearbeitet wird. Man bekommt aber auch einen Kaffee, wenn man ohne Computer unterwegs ist.
Das Café Dreifünf gehört zu den Läden, bei denen gefragt wird, welche Milch zum Cappuccino gewünscht wird. Bei dem einfachen Bäckereicafé direkt nebenan ist das nicht der Fall. Nach und nach werden die radelnden Essensausfahrer in den Laden gewunken und nehmen mit, was jemand bestellt hat.
Dass es Leute gibt, die sich neben einem Croissant oder einem Berry Scone auch ihren Hafercappuccino liefern lassen, wird nicht jeder wissen. Wer am Vormittag mal auf einen Dirty Chai Latte im Café Dreifünf einkehrt, kann beobachten, wie ein Fahrer nach dem anderen Frühstückskleinigkeiten in seine riesige Thermotasche packt.
Die voluminösen Taschen könnten der Grund dafür sein, dass die Dienstleister vor der Tür warten müssen. Würden sie sich damit in dem kleinen Laden einmal umdrehen, sie würden so manche Kaffeetasse vom Tisch fegen. Das Dienstleistungsprekariat muss also draußen bleiben. Und diejenigen, die via App Kleinigkeiten bestellen, wollen offenbar unbedingt drinnen bleiben. Der Cappuccino mit Kuhmilch ist so, wie er eben in solchen Läden schmeckt. Er tut nicht weh. Wer mit Trinkgeld 4 Euro dafür bezahlt, bekommt vielleicht ein Lächeln dazu. (arue)
10. Ein Kapuzenpulli für den Techno Club
Die Freude war sehr groß. „Hättet ihr gedacht, dass der Hoody bei einem älteren Herren so gut aussieht?“, fragt die junge Frau ihre Kolleginnen. Wer als 55 Jahre alter Mann, der schon sehr viele weiße Haare im Gesicht hat, das „Nakt-Studio“ betritt, wird erst mal kritisch beäugt. Das junge Modelabel hat eine ganz spezielle Zielgruppe. „Techno Club Outfits“ werden feilgeboten. Das sind nicht unbedingt Anziehsachen im herkömmlichen Sinn. Vielleicht sind es eher Ausziehsachen.
Viel hat man jedenfalls nicht an, wenn man ein Ding anlegt, das als „Harness“ verkauft wird. Wie ein für Menschen umgeschneidertes Pferdegeschirr sieht aus, was ein junger Mann in der Garderobe anprobiert und seiner Freundin vorführt. Es ist eine Art Brustgurt, der mit zwei Riemen, die über die Schultern laufen, auf den Oberkörper geschnürt wird. Das „Harness P-21“ gibt es für 69 Euro. Es ist gewiss nicht jedermanns Sache. Bestimmt gibt es Clubs, in denen man damit als gut angezogen gilt.
Den Laden, in dem auch genäht wird und dessen Mitte ein DJ-Pult mit zwei Plattentellern ziert, gibt es seit 2020. Ein veritables Start-up. Natürlich gibt es nicht nur Riemen bei Nakt. Da ist zum Beispiel ein Rock, unisex. Zwei T-Shirts werden noch hervorgeholt. Von einem strahlt ein neongrünes Gebilde. Ein typisches Techno-Tribal, erklärt die Beraterin. Der Hoody sitzt dann wirklich gut. Statt der üblichen Bänder halten metallene Ketten die Kapuze zusammen. Kann man tragen. 89 Euro kostet der Pulli. (arue)
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