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Sexuelles Selbst- bestimmungsrecht endet nicht mit der Eheschließung

■ betr.: „Allgemeine Abschrec kung“ (Vergewaltigung in der Ehe) von Sibylle Tönnies, taz vom 10. 12. 95

Gab es da außer der „imperialistischen“ Penetration der Frau durch den Mann nicht auch noch so was wie streicheln und schmusen, küssen und knutschen, lecken und lutschen, was auch immer? War ja nur so 'ne Frage. Dirk Cornelsen, Königswinter

Selten habe ich so viel Unkenntnis und falsche Behauptungen in einem Artikel gefunden. [...]

Das Recht sei gar nicht so frauenfeindlich, behauptet die Verfasserin: Gerade bei Vergewaltigung würde ich das Recht und die Rechtsprechung sogar als frauenverachtend bezeichnen. Nur die außereheliche Vergewaltigung, das heißt der gewaltsam durchgeführte vaginale Koitus außerhalb der Ehe, ist heute als solche auch zu bestrafen. Alles andere ist sexuelle Nötigung beziehungsweise einfache Nötigung, wenn es in der Ehe passiert und mit einem entsprechend niedrigerem Strafmaß zu ahnden. Den minder schweren Fall bei Vergewaltigung und sexueller Nötigung zu akzeptieren, bedeutet immer, die Täterperspektive höher zu achten als die des Opfers. Das Opfer wird beim minder schweren Fall beschuldigt, die Tat mitverursacht zu haben, zum Beispiel weil es einen Minirock trug, um so den Täter zu entlasten. Ich empfehle Frau Tönnies, die einschlägigen Kommentare zu den §§ 177, 178 StGB einmal zu lesen.

Woher sie ihre Deutungen, was „die“ Frauenbewegung will beziehungsweise was ihre Intention ist, bezieht, ist gänzlich unklar.

Übrigens: Die Grünen haben auf der parlamentarischen Ebene in der jetzigen Legislaturperiode noch gar nichts eingebracht, besonders die Mindeststrafe ist bei ihnen umstritten, und auch eine Haftstrafe von zwei Jahren kann zur Bewährung ausgesetzt werden (zwei Jahre ist genau die Grenze).

Warum der „praktische Preis“ für eine Verbesserung des Sexualstrafrechts hoch sein soll, wird weder aus diesen kruden Ausführungen klar, noch wäre es möglich, diese Behauptung mit Argumenten zu belegen, weil sie schlicht Unsinn ist. Eine klare rechtliche Gleichstellung der außerehelichen und ehelichen Vergewaltigung, wie in vielen anderen Ländern schon lange praktiziert, ist die einzige denkbare Lösung. Das sexuelle Selbstbestimmungsrecht kann nicht mit der Eheschließung aufhören. [...] Susanne Ahlers,

wissenschaftliche Mitarbeiterin,

Büro Christina Schenk, MdB

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