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Sexuelle Übergriffe am Canisius-KollegNoch mehr Opfer

Weitere Opfer sexueller Übergriffe in den 70er und 80er Jahren haben sich beim katholischen Elitegymnasiums gemeldet, darunter auch eine Frau. Die Täter sind inzwischen bekannt.

Pater Klaus Mertes, Leiter des Canisius-Kollegs, will "schonungslose Aufklärung" Bild: DPA

BERLIN taz | Am katholischen Canisius-Kolleg in Tiergarten haben sich mindestens 18 weitere Missbrauchsopfer gemeldet. Schulleiter Pater Klaus Mertes sagte am Freitag, dass sich ihm 15 ehemalige Schüler anvertraut hätten. Auch an die Rechtsanwältin Ursula Raue, seit 2007 Ansprechpartnerin des Jesuitenordens für Missbrauchsopfer, wandten sich weitere Betroffene, darunter auch eine Frau. Mertes bestätigte, dass es sich bei den Tätern um die Patres R. und S. handele. Beide verließen Mitte der 80er-Jahre die Schule, später auch den Orden.

Mitte der Woche war bekannt geworden, dass es zwischen 1975 und 1983 an der von Jesuiten geführten Privatschule systematischen Missbrauch von männlichen Schülern im Pubertätsalter gegeben hatte. Dies wurde öffentlich, nachdem sich Schulleiter Mertes in einem Brief an Schüler der betroffenen Jahrgänge gewandt hatte. Er bat darin im Namen des Kollegs um Entschuldigung - auch für das jahrelange "Wegschauen" seitens der Jesuiten. Auf die Bitte des Schulleiters, sich zu offenbaren, hatten sich zunächst sieben Opfer gemeldet. Seit der Fall in den Medien ist, kommen weitere hinzu. Das Landeskriminalamt ermittelt.

Er habe, sagt der seit 1994 amtierende Rektor, bereits 2004 und 2005 von je einem Fall erfahren. Aus Diskretionsgründen sei er nicht sofort aktiv geworden. Das bereue er, sagte Pater Mertes. Das lange Schweigen habe die Opfer unerträglich belastet, habe Ehen und Freundschaften zerstört. Über Medienberichte, wonach sich mehrere ehemalige Canisius-Schüler umgebracht haben sollen, wollte der Pater am Freitag nicht sprechen. Von einem Attentat, bei dem einer der Patres von einem seiner früheren Opfer schwer verletzt worden sein soll, wisse er nichts.

Gerüchte über Selbstmorde und das Attentat kursieren unter ehemaligen Canisius-Schülern, zu denen "Spreeblick"-Blogger Johnny Häusler und andere Publizisten gehören. Es sei ein offenes Geheimnis an der Schule gewesen, dass es in der von der Gemeinschaft Christlichen Lebens (GCL) angebotenen Nachmittagsbetreuung zu Belästigungen kam, heißt es. Auch über die beiden Patres, deren Namen jetzt bekannt wurden, hätten damals entsprechende Gerüchte kursiert. Häusler schrieb am Donnerstag, er habe Missbrauch an seiner Schule nicht für möglich gehalten und versteckte Hilferufe Betroffener nicht ernst genommen.

Warum die Schulleitung erst jetzt aktiv die Klärung der Vorfälle betreibt, konnte Mertes am Freitag nicht beantworten. Für die strafrechtliche Verfolgung der Täter dürfte es zu spät sein, Missbrauch verjährt nach 10, in schweren Fällen nach 20 Jahren. Mit den Tätern steht die Missbrauchsbeauftragte Raue in Kontakt, mindestens einer von ihnen soll die Taten gestanden haben. Raue prüft derzeit Schulunterlagen auf Hinweise auf die Hintergründe der Versetzung der beiden Patres. Dass ein Zusammenhang mit dem Missbrauch besteht, hielt der Schulleiter am Freitag für wahrscheinlich - auch dass zwischen Schulleitung und Tätern Einvernehmen bestanden habe, über die Hintergründe zu schweigen.

Schulleiter Mertes kündigte schonungslose Aufklärung an. Die katholische Kirche müsse sich fragen, ob ihre "Strukturen Missbrauch begünstigten", sagte er. Seine Schule habe das Sprechen über "übergriffige Pädagogik" zum Bestandteil der Personalführung gemacht, seit 1998 gebe es ein Beschwerderecht für Schüler in der Schulordnung.

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6 Kommentare

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  • AK
    Annemarie Kunz

    Nachmittagsbetreuung, damit die Schüler sich nicht mit Fernsehn und Computerspielen befassen und mit schlechten Freunden.Meine Kinder waren nicht in Ganztagseinrichtungen, ich war Teilzeitberufstätig, meine Söhne haben vor dem Fernseher gesessen, vor dem Computer,ich habe mit ihnen darüber geredet, habe ihnen selten etwas verboten, sie hatten zum Teil schlechten Umgang, den sie dann mit nach hause brachten, sie sind heute Studenten und haben keine Mißbrauchstrauma zu verarbeiten.

  • A
    a.kunz

    Die Kirche kann immer nur so schlecht sein, wie der Staat ihr erlaubt.Die Verjährung läßt grüßen. Wäre die Trennung von Kirche und Staat nicht, halbherzig eh, solange Kirchensteuern staatlich eingetrieben werden, gäbe es eine staatliche Kontrolle. Gäbe es in Berlin staatlich kontrollierten Religionsunterricht als ordentliches Fach, müßte man sich nicht die Katechese zumuten.Es passiert diesbezüglich so manches in den Pfarrgemeinden, was bei mir eher Horror verursacht. Je nach Pfarrer.

  • R
    reblek

    "Übergriffe" und "Missbrauch"? Wo ein "Über" ist, müsste auch ein erlaubter Griff sein dürfen. Wo es einen "Missbrauch" gibt, liegt ein erlaubter Gebrauch nahe. Warum heißt die Tat, um die es dabei geht, nicht "Vergewaltigung"? Weil es sich um Kinder handelt?

  • DM
    dr. m. steinmetz

    Angesichts der Vorgänge am Canisius-Kolleg muss man natürlich eine Reihe von Fragen stellen, die nicht nur die Einzeltäter betreffen, sondern auch die Institutionen, deren Verhaltensregeln und innere Gesetze offenbar solchem kriminellen Tun Vorschub leisten.

    Die Missbrauchsfälle im Schatten katholischer Institutionen sind ein globales Phänomen, das seit Jahren diskutiert wird. Und sie „passen“ schockierenderweise zu Vorgängen in deutschen Kinder- und Jugendheimen der Nachkriegs-BRD, die leider ebenfalls erst seit kurzem durch Veröffentlichungen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurden.

    In allen Fällen wird immer wieder bekannt, dass die Täter durch das Stillschweigen der Vorgesetzten und sonstigen Mitarbeiter über Jahre hinweg strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden konnten. Juristisch könnte das Strafvereitelung sein.

    Wofür gibt es denn den folgenden Paragrafen im Strafgesetzbuch?

    „StGB: §258 (1) Wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) unterworfen wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

    Es wird höchste Zeit, dass auch denjenigen der Prozess gemacht wird, die den Tätern ein straffreies Leben ermöglicht haben: Mitwisserschaft ist auch Mittäterschaft.

  • M
    Mike

    Ich weiss schon warum ich aus der katholischen Kirche ausgetreten bin, diese ist intolerant, heuchlerisch und verlogen. Durch das Zölibat wird der Missbrauch gefördert, weil Priester oder andere katholische Gelehrte ihren Dödel nicht bei sich behalten können oder wollen. Wann sieht die Kirche endlich ein das Man(n)seine Bedürfnisse nicht jahrzehntelang unterdrücken kann. Ich glaube sowieso das viele Geistliche Sex haben, egal ob nun mit Männern oder Frauen "Stichwort Haushälterin im Pfarrhaus!!". Es gibt schwule Priester, lesbische Nonnen, aber die Kirche lebt immer noch im Mittelalter und ist noch lange nicht im 21. Jahrhundert angekommen, leider...und daher wird es immer Missbrauchsfälle geben bis die Kirche sich endlich dazu entscheidet das Zölibat abzuschaffen.

  • BA
    Birgit Ali Othman

    Erziehung und Bildung von Menschen hat nun mal mit Menschen zu tun und es sollte verboten werden, dass dies durch Personen geschieht die sexuell verstümmelt und traumatisiert sind durch das so genannte Zölibat.

    Wie lange noch werden wir erschüttert die Nachrichten über sexuellen Mißbrauch

    in katholischen Einrichtungen verfolgen und in Kauf nehmen, dass solche

    perversen Züchtungen der Katholischen Kirche weiterhin auf die Menschheit losgelassen werden und sogar noch weitgehend straffrei davon kommen. Ist ein Mißbrauch in Soutane also weniger verletzend als ohne???

    Jede andere Institution wäre längst aller Erziehungsaufgaben enthoben worden

    nachdem bekannt wäre, dass in 1000 fachen Fällen Mißbrauch zu verantworten wäre.

    Weit weg von den Schäfchen.... also Kontakt nur von der Kanzle aus...

    das könnte gerade noch gewährt sein...