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„Sexuelle Selbstbestimmung unteilbar“

Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger legt Gesetzentwurf zur Vergewaltigung in der Ehe vor / Danach auch sexuelle Nötigung künftig strafbar / SPD und Grüne unzufrieden  ■ Aus Berlin Karin Flothmann

Berlin (taz) – Vergewaltigung in der Ehe soll künftig mit bis zu fünfzehn Jahren Gefängnis bestraft werden können. Mindestens soll das Strafmaß ein Jahr betragen. Dies sieht ein Gesetzentwurf von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vor, der gestern bekannt wurde. „Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ist unteilbar“, heißt es zur Begründung. „Es wird durch die Eheschließung weder beseitigt noch eingeschränkt.“ Der Entwurf sieht vor, die bisherigen Strafvorschriften zu Vergewaltigung und sexueller Nötigung in einem Strafparagraphen zusammenzufassen, um so „einen möglichst umfassenden Schutz der sexuellen Selbstbestimmung zu erreichen“. Ein besonders schwerer Fall sexueller Gewalt soll auch bei erzwungenem analem oder oralem Geschlechtsverkehr vorliegen. Befindet sich die Frau in einer „hilflosen Lage“ und verzichtet „nur deshalb auf Gegenwehr“, so soll sexuelle Gewalt ebenfalls strafbar sein. Da auch Männer Opfer einer Vergewaltigung werden können, sind die Formulierungen des Entwurfs geschlechtsneutral gehalten.

Bis auf die vorgesehene Verknüpfung von sexueller Nötigung und Vergewaltigung ähnelt der Entwurf des Justizministeriums weitgehend dem im Januar eingebrachten SPD-Entwurf zur Vergewaltigung in der Ehe. Selbst die obligate Hintertür, eine „Versöhnungsklausel“, die es Gerichten freistellt, von einer Strafe abzusehen, „wenn dies im Interesse der Aufrechterhaltung ehelicher oder eheähnlicher Bindungen (...) geboten“ sei, fehlt nicht.

Die Vorsitzende des Bundestagsauschusses für Frauen, Familie und Jugend, Edith Niehues (SPD), ist dennoch nicht sonderlich angetan von dem Entwurf aus dem Justizministerium. Immerhin sehe die „Versöhnungsklausel“ vor, daß im Interesse der Ehe selbst dann von Strafe abgesehen werden könne, wenn ein Ehemann seine Frau bei der Vergewaltigung mißhandelt oder schwer verletzt. Damit schaffe die Ministerin zweierlei Recht. Wenn ein „sexuell motivierter Mann“ seine Frau vergewaltige und mißhandele, könne er mit mildernden Umständen rechnen. Mißhandele er seine Frau, ohne sie zu vergewaltigen, könne er wie bisher wegen Körperverletzung bestraft werden.

Der Vorsitzende des Rechtsausschusses, Horst Eylmann (CDU), hält den Gesetzentwurf für „eine gute Diskussionsgrundlage“. Einige Punkte seien jedoch strittig. So sieht die Justizministerin vor, daß das Opfer kein Widerspruchsrecht gegen die Strafverfolgung haben soll. Die Gefahr sei zu groß, daß dieser Widerspruch „auf Druck des Ehemannes“ erfolgen könnte. Die CSU hingegen, so erklärte deren Abgeordneter Norbert Geis, will „Frauen die Möglichkeit geben, aus dem Strafverfahren wieder herauszukommen, um die Ehe zu retten“. Nach Eylmann sind dies aber „sekundäre Fragen“. Immerhin habe eine Ehefrau im Prozeß stets die Möglichkeit, die Aussage zu verweigern.

Für die Sprecherin der bündnisgrünen Fraktion, Kerstin Müller, hat die Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe aus diesem Grund vor allem „symbolischen Charakter“. Grundsätzlich befürwortet sie eine Veränderung des Sexualstrafrechts, um endlich auch in der Rechtsprechung das sexuelle Selbstbestimmungsrecht von Frauen festzuschreiben.

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