Sexualverbrechen in Eilenburg: Wahlkampf mit Vergewaltiger
Der mutmaßliche Mörder eines neunjährigen Mädchens in Sachsen ist gefasst. Die rechtsextreme NPD nutzt die brutale Straftat für ihre eigenen Interessen.
Der mutmaßliche Sexualmörder der neunjährigen Corinna aus Eilenburg bei Leipzig ist gefasst und hat seine Tat gestanden. Das gab Sachsens Landespolizeidirektor Bernd Merbitz am Sonntag bekannt. Der 39-jährige Tatverdächtige wurde am Samstagabend gegen 23.00 Uhr festgenommen, er soll Corinna vergewaltigt und anschließend ermordet haben. Gegen ihn wurde Haftbefehl erlassen wegen sexuellen Missbrauchs mit Todesfolge, Vergewaltigung und Mord.
Corinna war am Dienstag nicht nach Hause zurückgekehrt, tags darauf fand die Polizei ihre Leiche in einem Müllsack in einem Seitenarm des Flusses Mulde, nur wenige hundert Meter von ihrem Elternhaus entfernt. Der Täter wohnte nach Polizeiangaben rund einen Kilometer von Corinnas Wohnort entfernt.
Der Fall von Corinna ist bereits der dritte Mord an einem Kind im Raum Leipzig seit 2007. Vor zweieinhalb Jahren wurde der neunjährige Mitja missbraucht und erstickt, im Sommer 2008 vergewaltigte und tötete ein anderer Täter die achtjährige Michelle.
Die Furcht der Eltern in der Region Leipzig versucht nun die NPD für sich zu nutzen - zum Ärger der Eilenburger. Einige Bewohner der Stadt hatten am Samstagabend einen Trauerzug für Corinna organisiert, zu dem sich etwa 800 Menschen auf dem Marktplatz versammelten. Anhänger der NPD wollten offenbar mitmarschieren und mischten sich unter die Trauernden. Als jedoch offensichtlich wurde, dass sich 200 bis 300 Rechte in der Versammlung befanden, sagten die Veranstalter den Trauerzug kurzfristig ab. Um der NPD keine Plattform zu geben, hielten die Trauernden nur eine Schweigeminute auf dem Platz ab und gingen danach direkt zu einem Gottesdienst in die Kirche.
Der sächsische NPD-Landesverband schlachtet das Thema aber auf seiner Internetseite weiter aus. Das soll der Partei offenbar kurz vor der Landtagswahl am 30. August Sympathiepunkte einbringen. Dort fordert der Delitzscher Stadtrat Maik Scheffler nicht nur eine öffentliche Datei aller Sexualstraftäter und deren lebenslange Haft, sondern auch einen Volksentscheid über die Wiedereinführung der Todesstrafe. Auf diese Art lasse sich, so Scheffler, die "todbringenden Liberalität" des Staates gegenüber "Perversen und kriminellen Elementen" beenden. In ihrem Wahlprogramm fordert die sächsische NPD, das Grundgesetz entsprechend zu ändern.
Der Wiesbadener Kriminologe Rudolf Egg fordert hingegen, Eltern sollten ihren Kindern deutlich machen, dass solche Taten nur ganz seltene Einzelfälle sind. Er forderte, die Angst nicht zu schüren. Um Kinder wirkungsvoll vor Sexualtätern zu schützen, rät er den Eltern, das Selbstbewusstsein ihrer Kinder so zu stärken, dass diese auch nein sagen können und nicht mit Fremden mitgehen. Corinnas mutmaßlicher Mörder wurde nach mehreren Hinweisen aus der Bevölkerung gefasst. Laut Polizei gingen 164 Hinweise ein. Unter anderem sei der mutmaßliche Täter mit Corinna gesehen worden. Bei einer Durchsuchung wurde der Mann in alkoholisiertem Zustand angetroffen und festgenommen. Hans Strobl, leitender Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Leipzig, betonte, dass es sich bei dem Festgenommenen nicht um einen Rückfalltäter handele. Der Mann sei zwar vorbestraft, aber wegen lange zurückliegender Straftaten, unter anderem wegen Brandstiftung.
Mit der Ergreifung des Täters in Eilenburg gelang der Polizei nun ein schneller Erfolg. Den mutmaßlichen Mörder der achtjährigen Michelle konnte die Polizei 2008 erst nach siebenmonatiger Fahndung festnehmen.
(mit Material von dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen