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Archiv-Artikel

Sex & Crime in der Oper

Barocke Premiere am Sonntag: Claudio Monteverdis weitgehend moralfreies Spätwerk „Die Krönung der Poppea“ in der Inszenierung von Karoline Gruber

Als vor über 25 Jahren Nikolaus Harnoncourt an der Zürcher Oper sich an die Aufführung der Opern des Komponisten Claudio Monteverdi (1567–1643) machte, galt diese Unternehmung als Pioniertat. Denn bis dahin war die Barockoper jahrzehntelang eine der großen Unbekannten der Musikgeschichte gewesen: Zwar wusste man, dass Monteverdi mit dem Orfeo einen der wesentlichen Grundsteine für die Entwicklung der Oper gelegt hatte – tatsächlich gehört allerdings hatte kaum jemand dieses Werk oder andere Opern aus der besagten Zeit.

Heute ignoriert kaum mehr ein Opernhaus die Barockoper in der Konzeption ihres Spielplans, und auch in Hamburg will man da inzwischen nicht mehr nachstehen. So entschloss sich die Staatsoper, alljährlich eine Barock-Produktion herauszubringen, nach Händels Alcina im vergangenen Jahr nun Monteverdis Spätwerk L‘Incoronazione di Poppea (Die Krönung der Poppea), erstmals aufgeführt 1642 und auf einem Libretto Giovanni Francesco Busenellos fußend. Als Dirigent wurde der einschlägig als Spezialist gehandelte Alessandro de Marchi an der Dammtorstraße verpflichtet, als Regisseurin die in den letzten Jahren mehrfach positiv aufgefallene Karoline Gruber, die den renommierten Bühnenbildner Hermann Feuchter nach Hamburg mitbringt.

Die auf zeitlose politische Brisanz abzielende Geschichte dreht sich um die grenzenlose Selbstsucht des römischen Kaisers Nero und seiner Geliebten und späteren Frau, Poppea. Alle, die sich in Neros Umgebung aufhalten, meinen, dass sie ihm nacheifern müssten, um ihn dadurch auf sich aufmerksam zu machen. Was dazu führt, dass die Staatsräson Schaden nimmt.

Dieses System männlicher Selbstdarstellung ermöglicht aber auch, dass die schöne Hauptfigur mit dem zweifelhaften Ruf, Poppea, sich seiner konsequent zu ihrem Nutzen bedient. Am Ende ihres intriganten Spiels landet sie dort, wo sie von Anfang an hin wollte: auf den Thron der Kaiserin. Ihr gnadenloser Egoismus scheint sich zu lohnen – ganz wie der des Kaisers Nero selbst. Dass dabei reihenweise andere Menschen auf der Strecke bleiben, interessiert weder sie noch ihn.

Heute würde man das Stück ob seiner Handlung vielleicht in der Kategorie Sex & Crime ansiedeln – aber auch und gerade vor dem Hintergrund gewandelter Geschlechterstereotypen bietet der Stoff interessante Möglichkeiten. Man darf gespannt sein, ob und wie es Regisseurin Gruber gelingen wird, auch die nach wie vor brisante politische Parabel des Stückes herauszuarbeiten.

Gruber sieht Parallelen zwischen Monteverdis Zeit und der Gegenwart unter anderem darin, dass damals wie heute die moralisch und gesellschaftlich stabilisierenden Einflüsse der Kirche im Schwinden begriffen seien. Und auch, dass das Stück in einer Zeit spielt, die, so Gruber, „von Grausamkeit und schrankenlosen sexuellen Obsessionen geprägt ist“, dürfte für eine heutige Inszenierung eine mehr als oberflächliche Herausforderung sein.

Reinald Hanke

Premiere: Sonntag, 18 Uhr; weitere Vorstellungen: 19., 26. und 28.2., 2. und 4.3., jeweils 19 Uhr, Hamburgische Staatsoper