piwik no script img

SerientäterDie Erlösung kommt spät

Vor dem Bremer Landgericht wird ein Vergewaltiger zu 14 Jahren Haft verurteilt. Überführt haben ihn neue DNA-Analysen - nach 20 Jahren.

Darstellung einer DNA-Probe im Bundeskriminalamt: Fortschritte in der Kriminaltechnik machten es möglich, Holger L. erneut als Täter zu überführen. Bild: dpa

Heute soll es zu Ende gehen. Nach 20 Jahren endlich Ruhe und die Gewissheit, dass der Täter einen Namen hat, ein Gesicht. Die Anspannung ist der jungen Frau, die im Prozess gegen ihren Vergewaltiger Holger L. als Nebenklägerin auftritt, anzusehen.

Vom Gesicht des Angeklagten ist nicht viel abzulesen. Während des gesamten Prozesses hält er den Kopf gesenkt, seine Augen sind geschlossen. Er ist in sich zusammengesunken, wirkt wie weggetreten. Nur einmal, als er das letzte Wort hat, hebt L. den Kopf, verharrt kurz und sagt dann mit leiser, belegter Stimme: "Alles ist gesagt."

Was der Richter danach zu verkünden hat, ist keine Überraschung mehr. 14 Jahre Gesamthaftstrafe wegen Vergewaltigung und versuchter Vergewaltigung. Danach muss L. zurück in die Sicherheitsverwahrung, in die er schon 2001 eingewiesen worden war, wegen weiterer fünf Vergewaltigungen. Mehr konnte ihm nicht nachgewiesen werden. Damals nicht. Dann brachte der Fortschritt in der Kriminaltechnik neue Erkenntnisse. Es gab Treffer im Abgleich von alten DNA-Spuren, die Holger L. erneut als Täter überführten.

1989 hatte er sich an einem zehnjährigen Mädchen vergangen, der heutigen Nebenklägerin, sie gefesselt und zum Oralsex gezwungen. Das Gericht entschied auf versuchte Vergewaltigung. Vier Jahre später, 1993, überraschte derselbe Täter eine 19-jährige Frau in ihrer Souterrain-Wohnung und vergewaltigte sie. Beide Male war er auf der Suche nach Wertgegenständen und Bargeld in die Wohnungen eingebrochen. Als er die Mädchen sah, sei der Gedanke sie zu vergewaltigen "rasend schnell in ihm aufgestiegen", sagt L. nun.

Als der Richter in seiner Urteilsbegründung die Vergewaltigungen in schier unerträglicher Detailtreue schildert, wird es zu viel für die Opfer und Beobachter im Saal. Einige halten sich die Ohren zu, fassen sich bei den Händen. Die meisten haben Tränen in den Augen. Beide Opfer sind bis heute stark traumatisiert, waren lange Zeit nicht fähig neue Beziehungen einzugehen. Das damals 19-jährige Opfer gab seine Berufsausbildung auf und zog zurück zu seinen Eltern. Bei der 10-Jährigen geriet das Familienleben aus der Bahn: Den Täter vermutete man im direkten Umfeld.

Einem Gutachten zufolge leidet Holger L. nicht an einer Geisteskrankheit. Nach schweren Misshandlungen durch seinen Stiefvater sei er jedoch dissozialisiert worden und in die Kriminalität abgedriftet. Die Sicherheitsverwahrung bleibe nötig, da er bei den insgesamt sieben Vergewaltigungen unkalkulierbar gehandelt habe und für die Allgemeinheit gefährlich bleibe, sagte der Richter. Wie lange L. in Verwahrung bleiben muss, ist offen. In Freiheit habe der geschiedene Vater keine sozialen Strukturen mehr, die ihm die Rückkehr in die Gesellschaft erleichtern könnten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!