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Serien über Balenciaga, Chanel und DiorHollywood und Haute Couture

Zwei neue Serien zeichnen die Karrieren der großen Modeschöpfer des 20. Jahrhunderts nach. Das ist erst der Anfang des Modebooms im TV.

Schicki! Coco-Chanel-Darstellerin Juliette Binoche bei der Premiere von „The New Look“ Foto: Evan Agostini/Invision/AP

Gleich zwei neue Serien nähern sich dieser Tage auf fiktionale Weise den großen Modeschöpfern des 20. Jahrhunderts. „The New Look“, neu zu sehen bei AppleTV+, erzählt davon, wie Christian Dior die Jahre der deutschen Besatzung von Paris überstand und dann nach Kriegsende mit seinem unverwechselbaren, der Serie ihren Titel gebenden Stil die Modewelt zu neuem Leben erweckte. Ihm gegenüber stellt die Serie Diors große Konkurrentin Coco Chanel, deren Karriere und Leben in vielerlei Hinsicht so ganz anders verliefen.

Derweil widmet sich „Cristóbal Balenciaga“ (verfügbar bei Disney+) gänzlich Dior und Chanels aus Spanien stammenden Zeitgenossen.

Seit dem Fashion-Boom der Neunziger Jahre, der eine Kommerzialisierung und dann in den 2000ern durch das Internet eine Demokratisierung der Modebranche nach sich zog, begann eine Verschmelzung von Hollywood und Modeindustrie. Schau­spie­le­r*in­nen prangten immer öfter auf Magazin-Covern, Designer-Marken wiederum wurden auf roten Teppichen zur Schau getragen.

Seit den Neunzigern haben wir viele modezentrierte Fernsehsendungen gesehen, von der Designer-Challenge „Project Runway“ zur Modelsendung „Germany’s Next Topmodel“, die Zugang zu exklusiven Mode-Kreisen in Aussicht stellten. Selbst bei Arte liefen Dokumentarfilme über die Modebibel Vogue oder die Vorbereitungen auf die Fashion Weeks bei den berühmtesten Luxus-Labels. In den letzten Jahren schließlich häuften sich Serien und Filme über Modedesigner, sei es „House of Gucci“ oder „American Crime Story – Der Mord an Gianni Versace“.

LVMH geht nach Hollywood

Im Februar gab der französische Luxuskonzern LVMH, dem neben der Edel-Kellerei Moët & Chandon auch Louis Vuitton, Celine, Dior und viele weitere berühmte Marken zumindest in Anteilen gehören, bekannt, dass er in Hollywood eine Dependance gründen wird. „22 Montaigne Entertainment“, benannt nach der mondänen Pariser Adresse des Konzernhauptsitzes, soll die Mode stärker in Hollywood-Produktionen unterbringen, entweder wohl als Product-Placement oder sogar mit eigenständigen Filmen oder Serien. Damit ist die Verschmelzung von Hollywood und Haute Couture endgültig perfekt.

Die bisherigen Produktionen, ebenso wie nun auch „The New Look“ und „Cristóbal Balenciaga“, konzentrieren sich fast ausschließlich auf das 20. Jahrhundert. Das ist kein Zufall. Je mehr Instagram und Co. dafür sorgten, dass Laufsteg-Shows und Kollektionen für die breite Masse mindestens zum Angucken zugänglich und Luxus damit zum Milliardengeschäft wurde, desto mehr verschwanden die großen Persönlichkeiten aus der Branche. Manche starben, nicht selten viel zu früh, viele verkauften die eigenen Marken an große Konzerne und zogen sich zurück, wie der damals weltberühmte, aber heute fast vergessene amerikanische Modeschöpfer Halston es tat, dem Netflix 2021 eine Serie mit Ewan McGregor widmete.

Heute dürften die wenigsten Menschen, die einen Chanel- oder Dior-Laden betreten, wissen, welche De­si­gne­r*in­nen aktuell die Kollektionen entwerfen (Virginie Viard bei Chanel und Maria Grazia Chiuri bei Dior). Selbst Models werden heutzutage kaum noch zu Superstars. Kein Wunder also, dass Nostalgie für vergangene, schillerndere und weniger anonyme Zeiten verbreitet ist.

Von Dior …

Wer nun allerdings bei „The New Look“ einschaltet, um möglichst viel Haute Couture zu sehen, wird womöglich enttäuscht werden. Zwar beginnt die von Todd A. Kessler („Damages“) verantwortete Serie mit einer Modeschau, bei der Christian Dior (gespielt von Ben Mendelssohn) 1955 seine Arbeiten an der Sorbonne zeigt.

Doch schnell springt die Handlung zurück ins von den Deutschen besetzte Paris und erzählt dann streng chronologisch, wie der Designer als Mitarbeiter von Lucien Lelong (John Malkovich) auch für die Nazis designt – nicht zuletzt, um seine Schwester Catherine (Maisie Williams, bekannt aus Game of Thrones) zu unterstützen, die für die Résistance tätig ist und später nach Ravensbrück gebracht wird.

Derweil stellt Coco Chanel (Juliette Binoche) mit Beginn der Okkupation sofort den Betrieb ein. Allerdings lässt sie sich auf ein Verhältnis mit einem deutschen Offizier (Claes Bang) ein, durch den die Nazis sie für ihre Zwecke einspannen wollen.

… zu Balenciaga

Auch Balenciaga kommt als Figur in „The New Look“ am Rande vor, genauso wie es unvermeidlich ist, dass Chanel und Dior ihrerseits in „Cristóbal Balenciaga“ auftreten. Der Einmarsch der Deutschen in Paris, die legendäre „Théatre de la Mode“-Ausstellung im Louvre 1945, das Revival der Modebranche nach Kriegsende – all diese Dinge werden auch in der ersten spanischen Disney+-Serie verhandelt.

Dabei bleibt sie aber eher der Logik eines klassischen Biopics verhaftet, als ein Bild der historischen Umstände zu zeichnen, wie „The New Look“ es tut.

Die inhaltlichen Ähnlichkeiten bei unterschiedlichen Perspektiven machen die beiden Serien zu einem lohnenswerten Doppelpack. Während jede mit exzellenten Ensembles und erkennbar hohem Produktionsaufwand besticht, entwickelt „The New Look“ eher von Beginn an ein mitreißendes Tempo, um eine umfangreiche, spannende Geschichte zu erzählen.

Die Serien

„The New Look“ bei Apple TV+ und „Cristóbal Balenciaga“ bei Disney +

„Cristóbal Balenciaga“ dagegen setzt mehr auf Zurückhaltung als auf übersteigertes Drama. Dafür räumt die spanische Serie der Mode selbst und den kreativen Schaffensprozessen deutlich mehr Raum ein.

Die nächste Fashion-Serie steht derweil schon in den Startlöchern: „Kaiser Karl“ mit Daniel Brühl als Karl Lagerfeld soll noch in der ersten Jahreshälfte 2024 auch bei Disney+ auf den Laufsteg.

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