■ Serie „Denk-Mal: Das Gedächtnis des Ortes“, Teil 2: Vom liederlichen Mönch Bertoldus niger
Du warst des Teufels, Bruder Berthold, zweifellos. Als Franziskaner hättest du betteln und beten sollen, statt in deiner Alchimistenküche höllische Mixturen zu brauen. Salpeter, Holzkohle Schwefel, nicht aufgepaßt und den Mörser in die Nähe des Feuers gebracht. Bumm! Du hattest das Pulver erfunden. Das Schwarzpulver – auch wenn du wohl gar nicht Bertoldus niger oder Berthold Schwarz geheißen hast, sondern Konstantin Anklitz. Mit der Erfindung warst du zwar nicht der erste – in China war man dir lockere 400 Jahre voraus –, aber der erste im Abendland. Die Chinesen schossen mit dem Pulver buntes Feuerwerk in die Luft, du dachtest eher an Kugeln. So um 1380 hast du die Steinbüchse konstruiert. Die erste Feuerwaffe. Eine Pioniertat auf dem Weg zum effektiven und rationellen Morden.
Wen wundert's, daß dir ein Denkmal gesetzt wurde. Schon Charlie Chaplin, als mörderischer Heiratsschwindler „Monsieur Verdoux“, hat festgestellt, daß die Chance, nach Greueltaten zu Ehren zu kommen, sich mit der Menge der Leichen entschieden erhöht. Du stehst also in Freiburg im Breisgau, neben dem Franziskanerkloster. Groß, finster, die Kutte gefältelt, das Gesicht ebenso, schaust du direkt auf das Rathaus. Gut, die Herren da drinnen haben noch nie das Pulver erfunden, aber gerade du hättest Grund, ihnen dankbar zu sein. Davon später.
Zu deinen Füßen plätschert ein Brunnen. Du hast eine Hand am Kinn, die andere auf Mörser und Stößel gestützt und scheinst zu überlegen, welches Teufelszeug du jetzt mischen könntest. Soviel in Sandstein gehauenen Realismus nennt man „romantischen Historismus“. Den Tauben ist das egal. Die toben um deine Tonsur und kacken dich voll. Das alles gefällt den Besuchern, die sich hundertfach, erschlagen vom touristischen Gesamtkunstwerk Freiburg, auf den Bänken rundrum erholen. Dich, den Pfarrer Jobst Sackmann im 17. Jahrhundert als „ein Stück Schelms, so en liederlick Mönk“ verflucht hat, kennen sie alle: „Dat is doch der, wegen dem wir jetzt schießen könne.“
Wen die Besucher nur selten kennen, ist Carl von Rotteck. Dabei stehst du auf seinem Platz. Rotteck, der Freiburger Liberale, der Historiker, Jurist und Politiker, der zwischen 1819 und 1840 nicht nur eine deutsche, sondern eine europäische Berühmtheit war. Er war unglaublich populär, galt als Synonym für den Kampf des süddeutschen Parlamentarismus gegen Zensur und Staatswillkür. 1832 wurde es der badischen Regierung mit ihm zuviel. Der Professor bekam Berufsverbot. Doch die aufmüpfigen Freiburger machten ihn zum Bürgermeister. 1847, sieben Jahre nach seinem Tod, wollten sie ihm auf dem Rathausplatz ein Denkmal setzen. Noch stand das Baugerüst, der Denker sollte den letzten Schliff kriegen, da brach die Revolution von 1848/49 aus. Die Badener allen voran. Gegen die despotischen Fürsten und Fürstenknechte! Die Arbeiter wollten raus aus dem Elend, die liberalen Bürger forderten Pressefreiheit, Geschworenengerichte, Verfassungen, einen Nationalstaat.
Rotteck, eigentlich ein Gegner der Revolution und der deutschen Einheit, hatte das theoretische Gerüst für die revolutionären Energien vorbereitet. Die Revolution beginnt im Kopf, er mußte verschwinden. Heimlich, nächtens, neblig war wohl auch, ließ ihn die Obrigkeit von seinem noch nicht fertiggestellten Sockel holen. Die Büste verschwand in der Kiste und wurde erst 1875, zu Rottecks 100. Geburtstag, wieder entmottet.
An Rottecks Stelle wurdest dann du, Bruder Berthold, 1853 auf dem Rathausplatz aufgestellt. Auch wenn bis heute niemand beweisen kann, daß du überhaupt gelebt hast. Aber du warst so schön unpolitisch. Und schließlich hattest auch du geholfen, die Revolution niederzuschlagen. Ohne deine Erfindung hätte man die Aufständischen in Berlin und anderswo nicht so hübsch niederkartätschen können. 1388 sollst du wegen Schwarzer Magie hingerichtet worden sein. Aber der Teufel, der hatte dich sicher schon früher geholt. Bascha Mika
Morgen: Emma Murks, ein Frauendenkmal in Kassel
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