piwik no script img

Serie Bauern und EG (8)Flucht in die Biomasse

■ Nachwachsende Rohstoffe sind keine Lösung für die Probleme der Agrarpolitik / Chemische Bodenbelastung stiege hoch an

Nachwachsende Rohstoffe heißt die Zauberformel, mit deren Beschwörung die Landwirtschaft aus der Strukturkrise herausgeführt werden soll. 91,4 Mio. DM will allein der Forschungsminister bis zum Jahr 1990 für die Förderung eines Programms „Pflanzenanzüchtung und Nachwachsende Rohstoffe“ ausgeben, um mit Hilfe der Gentechnik die maßgeschneiderte Industriepflanze zu ermöglichen und die notwendigen Konversionstechnologien voranzutreiben. Auch der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ist davon überzeugt, daß durch den Ersatz von Nahrungs– durch Industriepflanzen ein Großteil der Probleme der Landwirtschaft gelöst werden könne. Für die Bauern würden neue Einkommensmöglichkeiten geschaffen, eine Begrenzung der Überschüsse werde möglich, ebenso eine Verbilligung der EG–Agrarpolitik. Außerdem wird darauf hingewiesen, daß die Landwirtschaft einen nennenswerten Beitrag zu unserer Energieversorung leisten könne, die Umwelt durch die aufgelockerten Fruchtfolgen entlastet würde und last but not least entstünden im Zusammenhang mit den neuen Produktionszweigen zusätzliche Arbeitsplätze. Ist etwas dran an den Hoffnungen oder werden die - Produktion von Naturfarben aus Krapp und Reseda, - die Gewinnung von hochwertigen chemischen Grundstoffen, Aromastoffen, Klebstoffen, Wirkstoffen aus Spezialpflanzen, - die Verwertung von Industriestärke in der Papier–, Textil– und Kunststoffherstellung - oder die Äthanolgewinnung aus stärke– und zuckerliefernden Pflanzen wie Getreide, Mais und Zuckerrüben das Bauernsterben auch nicht aufhalten? Für ca. 60 müssen und ohne direkte Strukturmaßnahmen in den nächsten Jahren dem Prinzip „Wachsen oder Weichen“ zum Opfer fallen werden, kommen mögliche günstige Auswirkungen eines solchen Programms ohnehin zu spät. Im Anwendungsbereich - chemische Grundstoffe und Spezialstoffe - finden gerade erste Kontakte zwischen Industrie und Züchtung statt, um abzuklären, welche Züchtungsziele bei den einzelnen Pflanzen im Hinblick auf industrielle Verwertbarkeit überhaupt sinnvoll erscheinen. So werden solche Exoten wie Leindotter, Ölrauke, Cuphea oder Wolfsmilchgewächse frühestens in 15 bis 20 Jahren auf unseren Feldern zu sehen sein. Beim Anbau dieser Industriepflanzen steht die heimische Landwirtschaft unter dem Druck konkurrierender Angebote aus anderen EG– sowie aus Drittländern, die teilweise günstigere klimatische Bedingungen aufweisen. Bezugsgröße für die Realisierung eines Produktionspreises ist der Weltmarktpreis, ein Erzeugerpreis, zu dem nur Großbetriebe, die auf einer hohen Intensitäts– und Rationalisierungsstufe stehen, bei ausreichender Flächenausstattung langfristig produzieren können. Letztendlich bleibt bei der Orientierung am sogenannten Weltmarktpreis der Produktionsumfang bestimmend, d.h., die Landwirte sind darauf angewiesen, höchstmögliche Erträge pro Hektar zu erzielen. Eine ökologische Bewirtschaftungsweise kann da erst gar nicht in Betracht gezogen werden. Kleine Betriebe und „Grenzstandorte“ (an denen sich der Anbau gerade noch lohnt) ha ben bei der Erzeugung von Industriestärke und -zucker keine Chance. Die Zerstörung ländlicher Infrastruktur durch die fortschreitende Industrialisierung der Landwirtschaft wird auch in Zukunft weitere Arbeitsplätze in diesem Bereich zerstören. Dieser Verlust an Arbeitsplätzen wird auch nicht durch die Schaffung neuer Arbeitplätze in den Konversionsanlagen wettgemacht werden. Die Vermarktung von Industriestärke und Äthanolzucker wird wegen des begrenzten Marktes für diese beiden Rohstoffe und der anzunehmenden Ertragszuwächse im Nahrungsmittelbereich pro Hektar nur für ca. vier bis fünf Jahre zu einer Entlastung der Überschußsituation führen. Die Orientierung am Weltmarktpreis für Industriestärke und -zucker und für Substitutionsprodukte führt zudem zu einem Subventionsbedarf, der die bisherigen Aufwendungen für die Verwaltung der Nahrungsmittelüberschüsse bei weitem übertreffen wird. Langfristig gesehen ist allerdings damit zu rechnen, daß die unterschiedlichen als nachwachsende Rohstoffe geeigneten Pflanzen erheblich mit den Nahrungspflanzen um die verbleibende Landfläche konkurrieren werden. Auch Grenzertragsflächen sind dann wieder wettbewerbsfähig und Umweltschützer könnten es umso schwerer haben, Naturschutzgebiete vor der Verwendung als Biomassenfläche zu bewahren. Gern wird für die nachwachsenden Rohstoffe als ein Bestandteil einer umweltfreundlicheren Landwirtschaft wegen der möglichen Fruchtfolgeauflockerung geworben. Tatsache ist, daß beim Anbau von Industriepflanzen ausdrücklich von einer intensiven, industrialisierten Bewirtschaftungsweise ausgegangen wird. Die katastro phalen Folgen, die sich aus der konventionellen Landwirtschaft ergeben haben, werden sich mit dem Industriepflanzenanbau weiter verschärfen. Krankheitsproblemen in den Beständen kann umso sorgloser mit Pestiziden begegnet werden, handelt es sich doch um Industrierohstoffe. Die Pilotprojekte zur Äthanolgewinnung aus Zuckerrüben oder Kartoffeln haben jedenfalls deutlich gezeigt, daß diese Art der Energiegewinnung mit ökologischer Wirtschaftsweise ganz sicher nichts mehr zu tun hat. Zu den erheblichen Umweltproblemen, die sich aus den großen Mengen an Nebenprodukten ergeben - diese können weder sinnvoll über den Tiermagen noch energetisch (Biogas) verwandt werden - kommt der geringe Nettoenergiegewinn in diesem Produktionszweig. Beim Anbau von Zuckerrüben und Kartoffeln wird rund 3/4 der Fläche in Anspruch genommen, um die Energie zu produzieren, die die Herstellung von Bioäthanol verbraucht. Die fünfprozentige Beimischung von Äthanol zum Benzin macht zudem den Otto–Motor nicht umweltfreundlicher. Die Alternative kann hier nur Energieeinsparung heißen oder, um im Jargon zu bleiben, die Extensivierung des Autoverkehrs. Die Strukturkrise der Landwirtschaft läßt sich nicht durch ein Programm lösen, daß nach der gleichen Logik funktioniert, die die Probleme der Landwirtschaft erst ausgelöst hat. Wesentlichste Aufgabe der Landwirtschaft ist die Bereitstellung von hochwertigen, möglichst unbelasteten Nahrungsmitteln. Ziele, die eine dezentrale ökologische Landbewirtschaftung voraussetzen und nur einen dezentralisierten Anbau von nachwachsenden Rohstoffen zulassen. In einem übergeordneten Programm zur ökologischen Landbewirtschaftung könnten also nachwachsende Rohstoffe durchaus ihren Platz haben. Sie sind aber kein Mittel, um die Strukturkrise der Landwirtschaft zu lösen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen