■ Sehr kultivierte Möglichkeit schöner Gartengestaltung: Griechisches Theater statt Rabatten und Gemüsebeete: Serenaden im Halbkreis
Heretsried (taz) – „Es gibt eine Faustregel“, sagt Sebastian Bernhard. „Die Stufen müssen halb so hoch sein wie tief.“ Dann würde es auch mit der Akustik hervorragend funktionieren. Und die ist bei einem Freilufttheater das A und O.
Marlies und Sebastian Bernhard haben ihr eigenes griechisches Theater daheim. Ein echtes Amphitheater, das rund 350 Besucher faßt. Irgendwann, sechzehn Jahre ist das her, begannen die beiden in dem kleinen 600-Seelen-Ort Heretsried zwischen Augsburg und Ulm, ihren Traum in die Tat umzusetzen. Den Griechenlandfans war das Abenteuer Freilufttheater schon lange im Kopf herumgegeistert. Ein Aufenthalt in Syrakus und das griechische Theater der sizilianischen Stadt haben endgültig den Ausschlag gegeben.
„Das war auch eine ganz pragmatische Überlegung“, erzählt der Postbote Sebastian Bernhard. „Als wir gebaut haben und diesen steilen Hang irgendwie befestigen mußten, fiel uns unser Aufenthalt auf Sizilien und dieses herrliche griechische Theater von Syrakus wieder ein. Und dann haben wir uns eben so ein Theater im Kleinformat gebaut.“ So ganz klein, wie das zunächst klingen mag, ist das „Theater im Kleinformat“ freilich nicht geworden. Es ist durchaus ein stattliches Amphitheater entstanden. Was der Postbeamte so nebenhin erzählt, war eine Mordsschufterei.
Drei Jahre lang hat er mit Freunden und seiner Frau gearbeitet. Stufenreihe um Stufenreihe mußte zuerst gemauert und betoniert werden. Dann hat sich der Theaterfan in einem nahem Marmorwerk die Abfallstücke zusammengebettelt und sie anschließend mosaikartig als Belag für die Stufen zusammengesetzt.
„Zuerst haben die Leute im Dorf gemeint, das wird ein großer Grillplatz“, schmunzelt Marlies Bernhard. Aber mittlerweile weiß jeder, was dort oben im Buchenweg entstanden ist. Schließlich sind die Menschen in Heretsried – jedenfalls zum größten Teil – stolz auf ihr griechisches Theater. Einen Förderverein mit rund 100 Mitgliedern gibt es inzwischen, und wenn es bei den Bernhards heißt „Vorhang auf!“, dann stehen sechs oder sieben Leute aus Heretsried bereit, um Würstchen und Gulaschsuppe, Getränke und Gyros zu verkaufen. „Da müssen viele Hände her, sonst geht das nicht“, sagt die Theaterbesitzerin. „Es ist aber auch wirklich kein Problem, auch mal bei starkem Andrang zehn oder zwölf Frauen zu finden, die Salat machen oder Kuchen backen. Die sind da voll dabei!“
Drei- bis fünfmal im Jahr bitten die Bernhards zu den verschiedensten Aufführungen. „Angefangen hat es 1986 mit ,Antigone‘“. Einmal im Jahr gibt es eine Serenade. Außerdem werden aus den umliegenden Gemeinden Jugendtheater eingeladen. Heuer startete die Saison im griechischen Theater Heretsried am 4. Juli mit einem Spiel in elf Bildern von Peter Weiss, mit „Wie dem Herrn Mockinpott das Leiden ausgetrieben wird“. Der alljährliche Serenadenabend findet diesmal am 11. Juli statt – mit dem Salonorchester „belle epoque“. Eine Woche später folgt ein hebräischer Musikabend unter dem Titel „Colalaila“, was soviel wie „Die ganze Nacht“ bedeutet. Am 25. Juli gelangt die italienische Oper „Rappresentatione di Anima e di Corpo“ zur Aufführung, und im Rahmen des Ferienprogramms für Kinder spielt das Fakstheater Augsburg „Die kleine Raupe“. Die Vorbereitungen für die Programme laufen auf Hochtouren.
Marlies und Sebastian Bernhard sitzen auf den Stufen ihres Theaters und lassen die vergangenen Theaterjahre Revue passieren: „Wenn man so darüber nachdenkt, dann fallen einem all die Leute ein, die schon da waren, die Besucher, die Schauspieler. Wir haben schon einiges erlebt“, meint die Krankenhausseelsorgerin, die im griechischen Theater einen Ausgleich für ihre Arbeit im Klinikum sieht. Sie selbst sind bislang nicht auf der Bühne gestanden. „Aber wer weiß, ob ich nicht mit sechzig irgendwelche verborgenen Talente in mir entdecke“, meint Marlies Bernhard, die heute 45 Jahre alt ist.
Ihr Mann steht derweil unvermittelt auf, gibt ein Lied aus dem „Bewegten Mann“ zum besten und läßt damit das Geheimnis der brillanten Akustik seines Theaters einmal mehr recht spürbar werden. Die Stufen sind nun mal nach dem genannten „Goldenen Schnitt“ gefertigt. „Nein, Spaß beiseite“, meint der singende Postbote bescheiden. „Wir hatten einfach ein Riesenglück mit der Akustik.“ Klaus Wittmann
Adresse für mögliche Kartenbestellungen: Marlies und Sebastian Bernhard, Buchenweg 4, 86465 Heretsried 4
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