Serbiens Radikale Partei bleibt hart: "Wir geben Kosovo nicht auf und basta"

Der Chef der Radikalen Partei, Tomislav Nikolic, erklärt, warum er das Abkommen mit der EU ablehnt. Das europäische Kapital bleibe in Serbien aber willkommen.

Tomislav Nikolic mit Familie auf dem Weg zur Wahl im Januar 2007. Bild: ap

taz: Warum hat Ihre Partei im Westen einen so schlechten Ruf?

Tomislav Nikolic: Weil wir niemals die Unabhängigkeit des Kosovo anerkennen werden. Da verzichten wir lieber auf alle Geschenke, Geschäfte oder eine Mitgliedschaft in der EU. Ohne Kosovo gibt es kein Serbien! Und das Volk ist auf unserer Seite, obwohl die EU immer wieder ihre Wunschpartner in Serbien unterstützt hat - zuerst mit tollen Versprechen auf ein besseres Leben und, als daran niemand mehr geglaubt hat, Drohungen, was denn Schlimmes geschehen würde, wenn die SRS siegt.

Halten Sie es wirklich für realistisch, dass Serbien wieder seine Souveränität im Kosovo herstellen kann?

Es ist aber auch nicht realistisch, dass wir zugeben, dass das Kosovo unabhängig ist. Dann machen wir eben zwei unrealistische Sachen. Die EU erkennt unrealistisch die Unabhängigkeit an, und wir kämpfen unrealistisch gegen diese Unabhängigkeit. Und solange es die Russische Föderation gibt, wird Kosovo niemals ein Mitglied der UN. Was hat nun die EU davon?

Und was nützt das Serbien?

Und was für einen Nutzen haben Sie, wenn Sie aufpassen, dass Ihnen niemand Ihr Kind wegnimmt, dass es nicht von einem Drogendealer geschnappt wird? Sie geben Ihr Kind nicht her und basta! Wir geben Kosovo nicht her und basta! Wenn die EU Serbien als Mitglied haben möchte, muss sie einsehen, dass wir zwei Bedingungen nicht erfüllen können: General Ratko Mladic ausliefern, der anscheinend gar nicht in Serbien ist, und das Kosovo anerkennen.

Und wenn die EU das nicht akzeptiert?

Wenn es sein muss, können wir auch ohne die Europäische Union leben. Seit acht Jahren behandelt man uns wie die Versuchskaninchen der EU. Als ob jemand gesagt hätte: Macht die Serben noch ärmer, dann geben sie schon das Kosovo auf. Wir sind aber schon sehr arm. Da nützen keine Erpressungen mehr. Das hat nur Trotz und Revolte bei uns ausgelöst. Selbst wenn für uns die Visumpflicht abgeschafft würde. Wer hätte den schon Geld zum Reisen?

Was sind die Alternativen?

Wir werden neue Wege mit Russland, China oder Indien suchen. Aber natürlich bleibt das europäische Kapital in Serbien willkommen. Ich garantiere persönlich für die Sicherheit aller früheren und künftigen Investitionen.

Warum sind Sie gegen das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU?

Weil es nicht ehrlich ist. Es heißt, das Abkommen sei neutral gegenüber dem Status des Kosovo, gleichzeitig hat aber die Mehrheit der EU-Staaten die Unabhängigkeit den Kosovo anerkannt. Wir wären sofort für das Abkommen, wenn darin deutlich definiert wäre, dass es für ganz Serbien innerhalb seiner international anerkannten Grenze gültig ist, auch wenn Serbien vorübergehend keine Kontrolle über einen Teil seines Territoriums hat. Ein solches Modell wurde auf Zypern angewandt.

Warum lehnen Sie es ab, mit dem UN-Tribunal zusammenzuarbeiten?

Warum ist denn kein Slowene vor diesem Tribunal angeklagt worden? Sogar das österreichische Fernsehen hat Aufnahmen, wie slowenische Freischärler Soldaten der jugoslawischen Armee erschießen, die ihre Hände erhobenen haben. Ist das denn kein Kriegsverbrechen? Kein einziger Kosovo-Albaner ist verurteilt worden, aber fast die gesamte serbische politische und militärische Führung wurde verurteilt oder angeklagt.

Sie waren selbst im Krieg. Fühlen Sie sich verantwortlich?

Welche Verantwortung? Mein Volk war angegriffen in seinem eigenen jugoslawischen Staat, und ich bin gegangen, um es zu verteidigen. Das war meine Pflicht. Ich bin vielleicht verantwortlich dafür, dass wir es nicht erfolgreicher verteidigt haben. Das hing aber von Slobodan Milosevic ab.

Die Radikale Partei ist seit Jahren die stärkste Partei in Serbien. Dennoch waren Sie nicht mehr an der Regierung. Warum?

Wir konnten unsere Kraft vor allem wegen der Unschlüssigkeit der Demokratischen Partei Serbiens von Premierminister Vojislav Kostunica nicht in Macht umsetzten. Dabei habe ich ihm schon zweimal eine Koalition angeboten. Das habe ich auch jetzt wieder getan. Mittlerweile hat Kostunica praktisch unser Programm über das Kosovo übernommen. Es ist ganz klar: Wir werden jetzt entweder eine Regierung mit uns und Kostunica haben, oder es wird keine neue Regierung geben. INTERVIEW ANDREJ IVANJI

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