Serbiens Parlament stimmt für EU-Abkommen: EU-Integration auf dem Weg
Nationalkonservative stimmten gegen den Vertrag. Abgeordnete der nationalistischen Serbischen Radikalen Partei bezichtigen die Befürworter des Abkommen des nationalen Verrats.
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BELGRAD taz Das serbische Parlament hat am Dienstag beschlossen, das vor einem Jahr paraphierte Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) mit der EU zu ratifizieren. Für das SAA votierten 140 Abgeordnete, 140 stimmten dagegen. "Das ist ein historischer Augenblick für Serbien", erklärte Vizepremier Bozidar Djelic. Das SAA werde es Serbien ermöglichen, seine europäische Integration fortzusetzen, Zugang zu den Entwicklungsfonds zu bekommen und eventuell schon 2009 den Kandidatenstatus zu bekommen. Gleichzeitig stellte Djelic mit Bedauern fest, dass es in Serbien keinen nationalen Konsens über den Beitritt des Landes zur EU gebe.
Das konnte allerdings das Triumphgefühl in den Reihen der proeuropäischen, um Präsident Boris Tadic versammelten regierenden Koalition nicht beeinträchtigen. Untergangsstimmung herrschte dagegen bei den nationalkonservativen Parteien. Diese widersetzen sich der Zusammenarbeit mit der EU, weil die meisten europäischen Staaten die Unabhängigkeit des Kosovo anerkannt haben. In der Ratifizierung des SAA sehen sie eine Kapitulation Serbiens in seinem Kampf für Kosovo. Einzelne Parlamentarier der ultranationalistischen "Serbischen Radikalen Partei" (SRS) verfluchten die "nationalen Verräter" und wünschten ihnen, dass "ihr Samen unfruchtbar" bleibe. Des weiteren wird Brüssel vorgeworfen, die EU-Mission im Kosovo, Eulex, ohne einen Beschluss des UNO-Sicherheitsrats und daher rechtswidrig entsandt zu haben.
Das Energieabkommen mit Russland wurde ohne größere Diskussionen mit 214 Jastimmen ratifiziert. Es sieht den Bau der Pipeline "South Stream" durch Serbien sowie den Verkauf des serbischen Erdölkonzerns NIS für 400 Millionen Euro an Gasprom vor. Diesen Betrag bezeichneten viele Wirtschaftsexperten als "lächerlich niedrig".
Der Streit um das SAA spaltete überraschenderweise auch die stärkste serbische Partei SRS. Während Vizepräsident Tomislav Nikolic für das SAA stimmen wollte - unter der Voraussetzung, dass Serbien das Kosovo nie anerkennt -, gab Parteichef Vojislav Seselj aus dem Gefängnis des UN-Tribunals für Kriegsverbrechen die Anweisung, dass die Radikalen dagegen stimmen sollen. "Ich bin doch kein Waschlappen", platzte Nikolic der Kragen. Er trat von allen Parteifunktionen zurück und gründete seine eigene parlamentarische Fraktion.
Während Seseljs fünfjähriger Abwesenheit machte der moderatere Nikolic mit geschicktem nationalsozialistischem Populismus die SRS zur stärksten Partei. Nikolic will angeblich die SRS reformieren, in deren Parteiprogramm immer noch vom Kampf für Großserbien die Rede ist. Laut serbischen Medien rechnet der wegen Kriegsverbrechen angeklagte Seselj mit seiner Freilassung 2009 und wollte zeigen, wer der Boss in der SRS ist.
In Serbien sind jetzt alle politischen Voraussetzungen für die europäische Integration geschaffen. Dem stehen jedoch enorme wirtschaftliche Probleme gegenüber: Das Land ist hoch verschuldet, die Staatskasse leer, die Preise steigen und der Lebensstandard sinkt weiter.
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