Sentimentales Publikum

Choreographie des Spaniers Gustavo Ramirez Sansano gewinnt „Pris Dom Pérignon“ zum Abschluss der Hamburger Balletttage  ■ Von Irmela Kästner

Der Gewinner des Abends hatte bereits seinen Preis. Petr Zuska, Sieger des ersten Prix Dom Périg-non 1999, zeigte mit seiner neuen Choreographie Les Bras de Mer, dass er sich zu einem bezwingenden Erzähler entwickelt hat – wunderbar leicht und poetisch. Sein Tanz mit Partnerin Andrea Boardman fliegt da förmlich durch den Raum. Zwischen Tisch und Stuhl siedeln sich diese „Szenen einer Ehe“ an. Das ist nicht neu. Bei den beiden aber immer wieder erfrischend originell und dazu eine akrobatische Meisterleistung.

Die Choreographie hatten die Ausrichter des Choreographischen Wettbewerbs, der Champagnerhersteller Dom Pérignon, und das Hamburg Ballett, in Auftrag gegeben. Ein Stück Wegbegleitung sozusagen, bis der Preisträger sich selbst als Choreograph behaupten kann und muss. Und bevor die Endausscheidung zum zweiten Prix Dom Pérignon2001 über die Staatsopernbühne ging, hatte Ballettintendant John Neumeier noch einmal betont: „Der Wettbewerbsgedanke steht nicht im Vordergrund.“ Eher verwirkliche dieser Preis die Idee eines Forums, bei dem junge ChoreographInnen die Möglichkeit haben, ihre Arbeiten einem großen Publikum auf großer Bühne zu präsentieren. Als Gewinn winken immerhin 15.000 Mark und die Einstudierung der Choreographie mit dem Hamburg Ballett. Das kann sich nun zur nächsten Spielzeit auf einen ganz neuen Farbtupfer im Repertoire freuen.

In diesem Jahr entschied sich die neunköpfige Jury aus europäischen Ballettdirektoren einschließlich John Neumeiers für die Choreographie Un peso en la espalda (Weight on my back) des jungen Spaniers Gustavo Ramirez Sansano, Tänzer beim Nederlands Dans Theater II in Den Haag. Ein archaisch anmutendes Ritual, ganz im Stil des modernen dynamischen Bewegungsvokabulars dieser Compagnie, klar und spannungsvoll, dazu von einer Imaginationskraft wie kein anderes Stück in diesem Wettbewerb.

Es ist zwar beruhigend zu wissen, dass das Geld bislang gut angelegt ist. Ansonsten aber tut sich der Prix Dom Pérignon recht schwer. Trotz europaweiter Ausschreibung fiel die Beteiligung mit 40 Einsendungen in diesem Jahr noch geringer aus als vor zwei Jahren.

Damals beschränkte sich der TeilnehmerInnenkreis auf in Deutschland arbeitende Choreographen, von denen 57 ihr Videoband mit einer eigens für den Wettbewerb geschaffenen Choreographie einreichten. Den auswärtigen BallettchefInnen scheint das kaum Kopfschmerzen zu bereiten. Nach Absagen und Umbesetzungen fand die Jury erst am Vorstellungsabend in ihrer endgültigen Konstellation zusammen und ging in der Pause gleich ganz verlustig. Die Finnin Susanna Leinonen, einzige Frau unter den EndrundenchoreografInnen, musste ihr fünf Frauen starkes Stück B mittendrin abbrechen und neu beginnen, nachdem die JurorInnen endlich vom Champagnerglas zu ihren Sitzen zurückgefunden hatten. Des Gastgebers Laune sank hier kurzzeitig auf den Nullpunkt. Und so ganz konnte er zudem den Argwohn nicht ausräumen, dass gleich drei von acht Stücken an diesem Abend aus den (eigenen) Reihen des Hamburg Balletts kamen.

Jiri Bubenicek stellte in Fragile Vessels die eigene Virtuosität als Tänzer aus, fand in dieser Menage à trois jedoch nicht aus einer statischen Bildsprache heraus. Der Nachwuchspreis ging zu Recht an den jungen Japaner Yukichi Hattori, der – wie schon oft in der Hamburger Compagnie – in seinem Solo Piece als eigenwilliger Performer überzeugte.

Rätsel gaben allerdings die Vorlieben des Publikums auf, das seine Stimme ausgerechnet dem schwülstig-schwerfälligen Morning Prayer von Jaroslaw Ivanenko gab, mit Niurka Moredo als Pieta und Ivanenko selbst als Purzelbaum schlagendem Todesengel. Dabei schien das Gesamtbild in diesem Jahr ästhetisch deutlich aufgefrischt. Übertragbarkeit – letztlich auf seine Compagnie – nannte Neumeier als ein Kriterium. Die inkonsequente Aneinanderreihung von Tanzversatzstücken, die hier zuweilen geboten wurde, hat er damit wohl nicht gemeint.