Sender ZDF Neo zielt auf Junge: Das Heute-Programm
Mit ZDF Neo wurde unter den Digitalkanälen von ARD und ZDF endlich eine klar profilierte Marke geschaffen. Nach zehn Tagen Sendebetrieb bleiben kaum Wünsche offen.
Am 1. November, dem ersten Sendetag von ZDF Neo, lag der Marktanteil teilweise bei 0,0 Prozent. Das saß. Und war dennoch nicht weiter schlimm, denn um Quoten geht es erst mal nicht beim Nachfolger des ZDF-Dokukanals. Mit dem neuen Digitalsender wurde in dieser Sparte endlich eine Marke mit klarem Profil geschaffen. Der neue Zielgruppen jenseits vom 61-jährigen ZDF-Durchschnittszuschauer erreichen soll, nämlich "die 25- bis 49-Jährigen, die dem Hauptprogramm langsam abhanden zu kommen drohen", wie ZDF-Neo-Chef Norbert Himmler sagt.
Nach knapp zwei Wochen Sendebetrieb darf man hoffnungsvoll konstatieren: Das kann was werden. Dafür sorgen Sendungen, die man bei ARD und ZDF in einer - angesichts der gesicherten Finanzierung durch GEZ-Milliarden - lächerlich-ängstlichen Quotenfixiertheit höchstens mal verschämt um 0.35 Uhr wegsendet. Intelligentes Fernsehen mit zeitgemäßer Optik, grafischen Gimmicks, abseitigen Themen - wie die fabelhafte US-Sitcom "30 Rock" (taz vom 2. 11.), die BBC-Trickbetrügerserie "Hustle" oder die Mediensatire "Taking the Flak" über einen britischen Auslandskorrespondenten in Afrika. Es gibt das eigenproduzierte Magazin "neoMusic", das "Comedylab" mit Knacki Deuser, Filme und Konzertmitschnitte.
Nun kann man aber mit einem Mitarbeiterstab von 35 Redakteuren und einem Jahresbudget von 30 Millionen Euro nicht 24 Stunden Highlights raushauen. Und so ist das Tagesprogramm gepflastert mit oftmals mäßig spannenden Dokumentationen aus den ZDF-Archiven - von der Nachkriegsjugend in Halberstadt bis zum Huskieleben in Nordfinnland -, mit Telenovela-Wiederholungen, alten "Terra X"- und "37 Grad"-Folgen und mit Dokusoaps.
Aber auch hier verstecken sich Perlen wie "Monkey Thieves", eine Serie über einen indischen Affenclan. Oder die Wiederholungen der Sitcom "Seinfeld", dank Zweikanalton auch auf Englisch. Eine schöne, aber rechtlich schwierige Option, weil ZDF Neo via Satellit auch in England zu empfangen ist. Nachrichten zeigt Neo hingegen nicht - da ist der Status als "zielgruppenorientiertes Spartenprogramm" vor.
Bei so einer Programmmischung wundert es nicht, dass die Privatsender im Vorfeld heftig protestierten. Von einem "Frontalangriff auf die Kernkompetenzen kommerzieller Anbieter" sprach etwa Thomas Schmid vom Verband privater Rundfunk und Telekommunikation. Neo-Chef Himmler stört das nicht, im Gegenteil: "Ich merke durch diese Vorwürfe, dass wir ernst genommen werden. Außerdem dürfen wir uns auch auf die Zuschauer der Privaten zubewegen - die zahlen auch Gebühren." Und Dokusoaps wie "Der Straßenchor" zeigen, dass man Protagonisten von den Rändern der Gesellschaft auch begleiten kann, ohne sie bloßzustellen.
Was man bei ZDF Neo hingegen noch ein wenig vermisst, sind Eigenproduktionen, Programm, das nicht nur für junge Menschen gemacht wird, sondern von ihnen - und dabei neue visuelle Konzepte austestet. Für so was gab es früher MTV und Viva, mittlerweile passiert das im Internet, und genau da lassen sich noch größere Talente ausbuddeln als der mittelwitzige Gastgeber der Multikulti-Late-Night "Süper Tiger Show".
Himmler verspricht: "Im nächsten Jahr soll es noch mehr Eigenproduziertes geben, auch im dokumentarischen und Reportagebereich." Dabei kann und darf er gerade anfangs experimentieren: "Wir müssen uns als Programmmacher auf unser Bauchgefühl verlassen und vieles ausprobieren."
0,2 Prozent Marktanteil, bei den jüngeren Zuschauern noch ein bisschen mehr, peilt man bis Ende 2010 an - es würde dem deutschen Fernsehen sehr gut tun, wenn ZDF Neo das mit dieser Programmischung gelingt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken