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SenatMännerwirtschaft ohne Wirtin

Nachdem Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz zurückgetreten ist, sucht die CDU wieder eine Frau für den Job. In der Partei findet sich wohl keine überzeugende Nachfolgerin.

"Wir sind noch nicht geübt darin, Frauen in Führungspositionen zu haben", sagte Sybille von Obernitz im März. Bild: dapd

Die Berliner CDU muss den zweiten ihrer vier Regierungsposten neu besetzen. Nachdem Sybille von Obernitz (parteilos) am Samstag von ihrem Posten als Senatorin für Wirtschaft, Technologie und Forschung zurückgetreten ist, will Landeschef und Innensenator Frank Henkel (CDU) wieder eine Frau als ihre Nachfolgerin finden. Er hatte die einst von ihm ins Amt gehievte Senatorin wegen eines Fehlers bei der Suche nach einem neuen Chef der Berliner Messe zum Rücktritt gedrängt. Schon zu Beginn der Legislatur war Michael Braun (CDU) wegen Vorwürfen zu seiner Tätigkeit als Notar nach einem 12-Tage-Intermezzo als Justizsenator zurückgetreten. Präsidium und Fraktionsspitze der CDU trafen sich am späten Sonntagabend, um zu beraten, wer von Obernitz nachfolgen soll. Ein Ergebnis wurde bis Redaktionsschluss nicht bekannt.

Brüskierte Männer

Von Obernitz hatte einen Fehler bei der zweiten Ausschreibung des vakanten Chefpostens der Messegesellschaft, deren Aufsichtsrat sie angehörte, zugegeben: Sie hatte einen Headhunter ohne vorherige Ausschreibung beauftragt. Ihren Kritikern kam das gerade recht: Vielen passte nicht, dass von Obernitz die Nachfolgersuche wegen mutmaßlicher Verstöße gegen das Landesgleichstellungsgesetz überhaupt an sich gezogen und damit den ursprünglich verantwortlichen Aufsichtsratschef der Messe, Hans-Joachim Kamp, brüskiert hatte.

„So ein Hickhack ist geschäftsschädigend“, sagte etwa der Präsident des europäischen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, der ebenfalls im Messe-Aufsichtsrat sitzt. Berliner CDU-Vertreter lancierten Rücktrittsforderungen. Schließlich gab Parteichef Henkel bekannt, er sehe keine Basis für eine weitere Zusammenarbeit mit von Obernitz.

„Wenn man den Herren reinredet …“, kommentierte die Grünen-Abgeordnete Nicole Ludwig via Twitter am Samstag die Vorgänge. Ludwig spielte darauf an, dass sich männliche Wirtschaftsvertreter wiederholt über die vermeintlich forsche und beratungsresistente Amtsführung der Senatorin beklagt hatten. Von Obernitz selbst hatte gegenüber der taz schon Mitte März gesagt: „Wir sind im wirtschaftsnahen Bereich in Deutschland noch nicht wirklich geübt darin, auch Frauen in Führungspositionen zu haben.“ Den Versuch, das zu ändern, musste sie nun aufgeben.

Politisch sei dies kein großer Verlust, erklärte der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Ajibola Olalowo, gegenüber der taz. „Eine klare wirtschaftspolitische Strategie war bei ihr nicht erkennbar.“ Ihr Rücktritt zeuge von der desolaten Verfassung des Senats. „Ich glaube nicht, dass diese Regierung eine Perspektive hat, die gesamte Legislaturperiode durchzuhalten“, sagte Olalowo.

Entlassung „befremdlich“

Richtig findet die Industrie- und Handelskammer (IHK) die Entlassung. „Sie hat ihre Kompetenzen überschritten, das darf nicht passieren“, so IHK-Sprecher Dirk Nolte zur taz. Für die IHK war von Obernitz früher tätig gewesen.

Rückendeckung erhielt von Obernitz dagegen von Piraten-Fraktionschef Christopher Lauer: Sie habe für mehr Transparenz bei der Ausschreibung des Messe-Chefpostens sorgen wollen. „Wenn eine Politikerin gehen muss, weil sie sich dafür einsetzt, dann ist das ein sehr befremdlicher Vorgang“, sagte Lauer.

Wer von Obernitz beerben soll, war am Sonntagabend völlig unklar. „Schön wäre es schon, wenn es wieder eine Frau sein würde“, sagte Henkel. Dass die stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Cornelia Seibeld Justizsenator Thomas Heilmann beerben und dieser ins Wirtschaftsressort wechseln soll, schloss er aber aus. Um wirklich eine Frau zu finden, müsste der CDU-Chef wohl jemanden von außerhalb der Stadt anheuern – denn eine wirtschaftspolitisch profilierte Politikerin gibt es in der Berliner CDU nicht.

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3 Kommentare

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  • M
    Mani

    Bei einer Frau besteht natürlich die Gefahr, dass dann viel Energie in Mobbing investiert wird, um sie los zu werden. Sieht man ja bei der Bundeswehr auch. Man will dort keine Frauen, was ständig zu Streit innerhalb der Truppe führt.

  • SB
    Siegfried Bosch

    Was für ein ekelerregender Srxismus spricht in diesem Artikel! Neben der von Misandrie geprägten Berichterstattung der TAZ ist da natürlich die Aussage von Herrn Henkel zu nennen, der anscheinend Männer bei der Neubesetzung des Postens benachteiligen will.

  • DW
    die wahre taz

    Mit den (demokratischen) Regeln hat sie es halt nicht so gehabt (mit Transparenz übrigens schon gar nicht).

     

    Schon im Februar titelte der Berliner Wassertisch, dass von Obernitz eine Fehlbesetzung ist[http://berliner-wassertisch.info/wirtschaftssenatorin-von-obernitz-zweite-fehlbesetzung-des-senats-pressemitteilung-vom-02-02-2012/]. Bürgernahe Wirtschaftspolitik: Fehlanzeige. Obernitz unterstützte im Zweifelsfall die Interessen der Konzerne. Im Fall der missbräuchlich überhöhten Trinkwasserpreise unternahm sie nichts, weil sie sich als Aufsichtsratschefin den Gewinnen der BWB (und ihrer privaten Anteilseigner RWE und Veolia) mehr verpflichtet sah, als dem Recht der Bürger auf kostengünstige Wasserversorgung. Der TU-Wirtschaftsprofessor Kerber bescheinigte ihr dafür in einem Interview "intellektuelle Konfusion" [http://berliner-wassertisch.info/interview-des-berliner-wassertischs-mit-prof-markus-c-kerber/].

     

    Im Wasser-Sonderausschuss zur Überprüfung der verfassungswidrigen Wasserverträge ist sie übrigens nicht ein einziges Mal erschienen, obwohl noch immer nicht alle Dokumente offengelegt sind – so viel zu ihrer vermeintlichen Märtyrerschaft für mehr Transparenz.

     

    Schön wäre es, wenn es einmal einen Wirtschaftssenator gäbe, der die Landesbetriebe dazu einsetzt, eine Politik für die Bürger durchzusetzen, anstatt den Konzernen Milliardengewinne zuzuschustern. Es ist symptomatisch für den derzeitigen Politikstil, dass Obernitz nicht wegen des Protests der Bürgerinitiative, sondern wegen Beschwerden aus der Wirtschaftskamarilla gehen musste.