Selbstversuch in den USA: Im Waffenland
Kaum anderswo in den USA gibt es so viele Waffen wie in Montana. Mike Gerrity fand das lange befremdlich. Um die Faszination zu verstehen, kaufte der sonntaz-Autor sich selbst einen Revolver.
MISSOULA taz | Schüsse in der Schule, pinke Pistolen für Frauen und nervöse Polizisten: In Montana gibt es in sechs von zehn Häusern eine Schusswaffe. In dem Bundesstaat im Nordwesten der USA ist Mike Gerrity, 22, aufgewachsen. Bisher besaß er keine Waffe, dann kaufte er sich doch einen Revolver. Ein Experiment, um sein Verhältnis zu Waffen zu klären und herauszufinden, was so viele Leute an ihnen fasziniert. In der sonntaz berichtet er darüber.
Während in Deutschland nur bestimmte Personengruppen wie Jäger oder gefährdete Politiker eine Waffe haben dürfen, braucht man in elf US-Bundesstaaten nicht mal eine Lizenz, um eine geladene Schusswaffe sichtbar zu tragen. Zum verdeckten Führen von Waffen benötigt man in allen Bundesstaaten außer Alaska und Vermont einen Waffenschein. Über 200 Millionen Waffen sind in Privatbesitz. In Deutschland, schätzt die Gewerkschaft der Polizei, sind zirka 10 Millionen legale und 20 Millionen illegale Waffen im Umlauf.
In Montana reicht eine eintägige Schulung aus, um eine Waffe verdeckt tragen zu dürfen. So ging Mike Gerrity zu dem Lehrgang des Waffenfan und Sportschützenfunktionärs Gary Marbut. "Ein etwa 20 Jahre alter Typ, der für Marbut arbeitet, fragt, ob ich bereit für die Prüfung bin. Bevor ich es selbst versuchen kann, geht er es Schritt für Schritt mit mir durch: Zieh die Waffe auf Bauchhöhe, hebe sie mit beiden Händen in Brusthöhe, richte den Lauf gerade nach vorn. Ich muss noch nicht mal abdrücken, da sagt er schon, dass ich bestanden habe. Die Bescheinigung wird binnen einer Woche bei mir im Briefkasten sein." Dieses Schreiben muss man irgendwann beim Sherriff vorlegen.
Diesen Artikel können Sie in der aktuellen sonntaz vom 10./11. April in voller Länge lesen - ab Sonnabend zusammen mit der taz am Kiosk erhältlich.
Station zwei: Ein Waffengeschäft. Gerrity entschied sich für eine .38 Special. "Ich muss ein Formular ausfüllen. Name. Geburtsdatum. Staatsangehörigkeit. Sozialversicherungsnummer ist kein Muss. Ethnische Zugehörigkeit schon. Als ich frage, warum, schaut mich ein Kunde an, als wäre ich sieben Jahre alt. 'Deine Sozialversicherungsnummer ist dir nicht auf die Stirn tätowiert.' Dann noch 13 Fragen, bei denen man Ja oder Nein ankreuzen muss. Kaufen Sie diese Waffe wirklich für sich selbst? Stehen Sie unter Anklage wegen einer Straftat, oder wurden Sie je wegen einer solchen verurteilt? Fliehen Sie vor der Justiz? Wurden Sie je wegen einer Beziehungstat verurteilt? Es folgen vier weitere Fragen über meine Staatsangehörigkeit und ob ich illegaler Einwanderer bin."
Gerrity beschreibt, was für eine Faszination der eigene Revolver auf ihn ausübt. "Ich ziele auf eine Glasscherbe zu meinen Füßen. Es geht mir nicht darum, meine Schießkünste zu üben. Ich will blitzartig etwas vernichten und dabei in der ersten Reihe sitzen."
Munition nachzukaufen, war für Gerrity gar nicht so einfach. "Seit der Wahl von Barack Obama verkaufen sich Waffen und Munition wie Weihnachtsspielzeug", schreibt er. Laut einem Bericht von National Public Radio stieg der Verkauf Ende 2008 um zehn Prozent. „Die Welt der Waffennarren ist von Angst erfüllt, dass der Präsident das Verbot von Sturmgewehren erneuern oder den Verkauf anderer Waffentypen verbieten könnte. Bisher hat Barack Obama keine Anstalten gemacht, die Gesetze zu verschärfen. Aber die Leute rüsten vorsorglich auf.“
In seiner sonntaz-Geschichte berichtet Gerrity, wie sich in seiner Schule ein Mitschüler erschoss. Wie er vergeblich versuchte, mit seinem Vater über das Töten im Vietnam-Krieg zu sprechen. Er zeichnet die Kontroverse in den USA nach: Waffenbefürworter wie der Ökonom John Lott behaupten, je mehr Gewehre und Pistolen im Umlauf seien, umso weniger Verbrechen gäbe es. Dagegen argumentieren Ian Ayres und John Donahue III, Verbrecher in Gegenden, in denen das verdeckte Tragen von Waffen üblich ist, neigten dazu, gesetzestreue Bürger ausstechen zu wollen: ein Wettrüsten zwischen Gesetzlosen und Gesetzestreuen.
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