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Selbstverpflichtung mit AusnahmenIn Zukunft weniger Ladegerät-Chaos

Auf Druck der EU-Kommission einigen sich Handy-Konzerne auf einen Ladegerät-Standard. Zur Müllvermeidung bringt das wenig – Nokia und Apple vertreiben weiter auch die alten.

Stecker-Wildwuchs. Ob das in Zukunft weniger wird, ist noch offen. Bild: dpa

Sogar einen kleinen Werbefilm hat der EU-Kommissar für Unternehmen und Industrie, Antonio Tajani, produzieren lassen. Darin füttert ein Ober in einem Luxusrestaurant seine Gäste mit dem immer gleichen Löffel. Gleichsam, so die Botschaft, können künftig alle Handybesitzer in der Union ihre Mobiltelefone gegenseitig aufladen. EN 62684:2010 sei Dank. Die Industrienorm für Ladegeräte soll sicherstellen, dass Handys unterschiedlicher Hersteller mit dem gleichen Apparat Strom tanken können.

Der Standard war auf Druck der EU-Kommission zustande gekommen. 500 Millionen Handys benutzen die EU-Bürger, im Schnitt werden sie rund zwei Jahre benutzt - allein die Ladegeräte, die dann nutzlos sind, machen jährlich 50.000 Tonnen Elektromüll aus.

Doch nicht umsonst appellierte Tanjani am Dienstag an die Hersteller, möglichst schnell entsprechende Geräte einzuführen. Einige sind zwar schon auf dem Markt, denn der Strom wird über sogenannte Micro-USB-Schnittstellen geladen, mit denen sich jetzt schon einige Handys mit dem Computer verbinden lassen. Theoretisch wäre ein einheitlicher Stecker mit den herkömmlichen USB-Ports auch schon vor Jahren möglich gewesen, doch erst 2009 einigte sich die Industrie, die vorhandene Technik als Basis für einen relativ simpel umsetzbaren gemeinsamen Stecker zu nutzen.

Allerdings ist keiner der Handyproduzenten dazu verpflichtet, jetzt auch entsprechende Geräte zu liefern. Es gibt nur eine Selbstverpflichtung der Firmen. Sie ist wachsweich formuliert und umfasst nur "datenübertragungsfähige Mobiltelefone", also vor allem Smartphones, keine herkömmlichen Handys. Dennoch könnten Hersteller, die mit dem neuen Anschluss zögern, einen Wettbewerbsnachteil haben, weil er einfach praktisch ist.

Zudem dürfte der Müllberg erst mal nicht kleiner werden - weil parallel die alten Ladegeräte weiter vertrieben werden. Nokia etwa bestätigte dies der taz. Auch neue Nokia-Handys sollen vorerst die alten Anschlüsse behalten. Apple ist da noch deutlicher: "Wir stehen zu dem Apple dock connector, diese Initiative erfordert nicht, ihn zu verändern."

Die EU-Kommission hofft mit der neuen Regelung ein Signal gesetzt zu haben. "Wir werden versuchen, ähnliche Vereinbarungen auch mit anderen Geräten zu erreichen", sagte ein Sprecher Tajanis der taz. Gerhard Henning, der als Mitglied der Deutschen Kommission Elektrotechnik an dem Standard mitgewirkt hat, glaubt, dass mittelfristig auch Notebooks, Netbooks oder Tablett-PCs einheitliche Stecker bekommen.

Auf einem anderen Blatt steht beim Stichwort Müllvermeidung die Frage des Recyclings. Seit Februar 2003 ist eine EU-Richtlinie für das Sammeln und Recyceln von Elektroschrott in Kraft. Allerdings wird nur ein Drittel des Mülls entsprechend behandelt, der Rest landet sonst wo. Bereits im Dezember 2008 schlug die Kommission vor, die Richtlinie zu überarbeiten - was bis heute auf sich warten lässt.

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9 Kommentare

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  • S
    stevendeluxe

    Entweder stehe ich auf dem Schlauch oder den meisten von euch ist die praktischen Funktionen eines einheitlichen Ladegeräts total entgangen!

     

    Ein einheitliches Ladegerät ermöglicht:

     

    1) beim Wechsel des Handygerätes oder -marke eine Weiterbenutzung des Selbigen (z.B. kann man dann ein Ladegerät mit ins Büro nehmen, um das Handy notfalls dort aufzuladen)

     

    2) auf Reisen das Zurückgreifen auf ein vom Hotel (oder auch Restaurant) ausgeliehenen Gerätes, was aktuell ja eine Zumutung wäre, weil das Hotel bzw. die Hotelkette ein Dutzend Ladegeräte auf "Lager" habe müsste und das in zigfacher Ausführung.

     

    Also ich finde es ärgerlich, dass die Handyhersteller sich nicht ohne wenn und aber für die Micro- bzw. Mini-USB-Schnittstelle IM zum aufladenden Gerät entscheiden wollen.

  • K
    Kruemmelmonster

    Also eines müsste man bei Nokia noch anmerken: eigentlich alle neuen Nokiamodelle verfügen über eine Mikro-USB-Buchse und lassen sich über selbige laden, der proprietäre Anschluss ist lediglich die Empfehlung seitens Nokia da sich das Gerät darüber schneller aufladen lässt.

  • B
    brauki

    So langsam verwirrt mich die Diskussion. ;-)

     

    Für mich ist ausschlaggebend was als Ladebuchse im Gerät (also Handy) ist.

    Klar, hat mein NOKIA Handy eine USB Buchse und auch klar - selbstverständlich kann man es *nicht* darüber laden. Schließe ich es am PC an und vergesse es eine weile *entläd* es sich besonders gut auf diesem Wege...

     

    Mein Falk-Navi kommt nur mit einer USB Buchse. Sobald es am PC hängt läd es also. Geht doch.

     

    Manchmal hat man einfach das Ladegerät nicht zur Hand und da wird ein Vereinheitlichung zum Segen, zumal alles was man an einen PC anschließen kann sowieso heutzutage USB hat.

     

    Jü.

  • MD
    Martin D.

    wer eh nur ein handy hat, den betrifft es nicht. wer z.b. 3 handys hat, der hat nun also 3 gleiche ladegeräte statt 3 verschiedene. denn weiterhin wird jedes neugerät mit ladegerät geliefert. wo ist nun der vorteil?

  • D
    Daniel

    "***Anmerkung der Redaktion: Danke für den Hinweis. Ist geändert!"

    Wo denn?

     

    Ich sehe da immer noch im Lede den Hinweis, daß Apple und Nokia trotzdem weiter für erhöhtes Müllaufkommen verantwortlich sind und auch die entsprechenden Absätze im Volltext lassen eigentlich keinen anderen Schluß zu.

     

    Oder hängt die Änderung nach über zwölf Stunden noch in den Untiefen Eures Publishing Systems fest?

  • T
    Tom

    Selbstverpflichtung??

    Was machen die da eigentlich?

    Sucht eine oder zwei vernünftige Lösungen. Setzt die Fest als Standard. Jeder der davon abweichen will, soll diese Abweichung beantragen, dass ein weiterer Standard eingeführt wird oder ein anderer ersetzt wird. Maximalanzahl der Standards festlegen. Ist der erreicht kann nur ein alter (der mindestens schon x-Jahre alt ist) ersetzt werden. Basta!

  • A
    Anotherone

    Wobei der Apple-Dock-Connector auf der anderen Seite bereits USB ist, wie bei sicherlich vielen andere Smartphones auch. Insofern wäre ein Ladegerät mit einem oder mehreren USB-Anschlüssen durchaus wiederverwendbar und käme der Sache doch schon näher. Und für normale Mobiltelefone bräuchte man nur passende Kabel und die Unterstützung der 5V-Versorgung. Aber das wäre wahrscheinlich schon wieder zu einfach. So würde "nur" das Kabel und das Telefon als Schrott anfallen. Vorausgesetzt, man liefert künftig nicht wieder mit jedem Gerät ein Netzteil aus.

  • I
    ich

    Der Untertitel ist falsch.

    Apple und viele andere Hersteller haben Netzteile mit USB-Buchse, in das das jeweils passende Kabel gesteckt wird. In das kann man auch ein Kabel mit Mico-USB stecken und so jedes andere Handy aufladen.

    Adapterkabel sind Teil der EU-Norm und erlaubt, also entsprechen die "alten" aktuellen Netzteile auch der neuen Norm.

    "Die Vereinbarung sieht die Nutzung eines Adapters vor."

    Quelle: http://onechargerforall.eu/de/faq.html#c_interface

     

    ***Anmerkung der Redaktion: Danke für den Hinweis. Ist geändert!

  • T
    topal

    Das Problem wird auch in diesem Artikel nicht wirklich deutlich:

     

    Die wirklich interessante Seite der Verbindung ist das Ladegerät, nicht wahr?

     

    Wenn dort eine allgemein verbreitete Buchse drin ist, z.B. USB (nicht Mini-USB),

    könnte jedes Handy, Pad, Pod, das selbe Ladegerät nutzen. Es müsste dem Handy beim Kauf lediglich ein Kabel beiliegen (tut es wohl mittlerweile sowieso schon) an dessen einem Ende ein USB-Stecker und am anderen Ende (Gerätseite) ein Stecker nach Wahl des Herstellers befindet.

     

    Apple machte das bei den mobilen iOS-Geräten so von Anfang an. Und immer noch.

     

    Man kann die Geräte also auch mit einem noName-Produkt von Aldi aufladen, sofern dieses einen USB-Port besitzt.

     

    Eigentlich könnte Apple aufhören, Ladegeräte zwangsweise mitzuverkaufen.

     

    Den Herstellern "vorschreiben" zu wollen, wie der Port an dem zu ladenden Gerät sein soll ist schlicht naiv - technisch naiv.