piwik no script img

Selbstmordanschlag in AfghanistanZwei Bundeswehrsoldaten getötet

Ein Selbstmörder riss in der Stadt Talokan sieben Menschen mit in den Tod, darunter zwei deutsche Soldaten. Ein Bundeswehrgeneral wurde verletzt. Die Tat geschah auf einem Sicherheitstreffen.

Der Tatort des Attentats: das Gouverneursgebäude in Talokan, Afghanistan. Bild: dpa

TALOKAN/MUSKAT dpa | Nach dem tödlichen Selbstmordanschlag auf ranghohe afghanische und deutsche Sicherheitskräfte hat die Bundeswehr die Angaben über die Zahl der Verletzten in den eigenen Reihen erhöht. Neben den beiden getöteten deutschen Soldaten seien fünf ihrer Kameraden verletzt worden, darunter auch der deutsche ISAF-Regionalkommandeur für Nordafghanistan, General Markus Kneip. Das sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos am Samstagabend. Zunächst war von drei verletzten Deutschen die Rede gewesen. Mindestens einer der Attentäter soll sich in Polizeiuniform Zutritt verschafft haben.

Insgesamt fielen sieben Menschen dem Attentat zum Opfer. Der Anschlag vom Samstag, zu dem sich die Taliban bekannten, richtete sich gegen ein Sicherheitstreffen in der Stadt Talokan. Damit kamen erneut auch Bundeswehrsoldaten durch Attentäter ums Leben, die in Uniformen die scharfen Sicherheitskontrollen umgehen konnten.

Bundesregierung bleibt bei ihrer Strategie

Das Attentat stellt das Konzept des Partnering in Afghanistan nach Einschätzung von Experten erneut in Frage. Ausländische Soldaten sind darauf angewiesen, ihren sogenannten Partnern - den afghanischen Sicherheitskräften - zu vertrauen. Die enge Zusammenarbeit - das Partnering - zwischen internationalen und einheimischen Sicherheitskräften gilt als Schlüssel dafür, das angestrebte Ziel der Nato zu erreichen: Die ausländischen Kampftruppen bis 2014 abzuziehen.

Doch trotz des Anschlags will die Bundesregierung an ihrer bisherigen Strategie festhalten. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) bekräftigte am Sonntag bei einem Besuch im Golfstaat Oman, dass die afghanischen Sicherheitskräfte innerhalb der nächsten Wochen die Verantwortung in ersten Provinzen übernehmen sollen. Gegen Ende des Jahres soll dann wie geplant der Abzug der ersten deutschen Soldaten beginnen.

Zum ersten Mal deutscher General verletzt

Von den deutschen Verwundeten ist einer schwer verletzt. Leicht verletzt wurde neben General Kneip auch der Kommandeur des Bundeswehr-Lagers am Anschlagsort Talokan. Die Bundeswehr unterrichtete die Angehörigen der Soldaten in der Heimat. Es ist das erste Mal, dass ein deutscher General in Afghanistan zu Schaden kam. Das bislang ranghöchste deutsche Opfer in Afghanistan war ein Oberstleutnant.

Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) forderte die Bundesbürger auf, "gerade jetzt unseren Einsatz in Afghanistan zu unterstützen." Zweifel seien erlaubt und sogar angebracht. Doch: "Wir wissen, dass wir auf dem richtigen Weg sind."

Mit dem Anschlag in Talokan stieg die Zahl der insgesamt in Afghanistan ums Leben gekommenen Bundeswehrsoldaten auf 50. 32 von ihnen starben bei Gefechten oder Anschlägen.

Merkel: "Morderische Menschenverachtung"

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nahm die Nachricht vom Tod der deutschen Soldaten "schockiert und traurig" auf. "Dieser terroristische Anschlag zeigt eine mörderische Menschenverachtung", sagte sie in der in Berlin verbreiteten Erklärung.

Auf afghanischer Seite starben der Polizeikommandeur für den Norden des Landes, Daud Daud, sowie der Polizeichef der Provinz Tachar, Schah Dschahan Nuri. Unter den Verletzten sei auch Gouverneur Abdul Jabar Taqwa, sagte dessen Sprecher, Fais Mohammad Tawhidi.

Einer der Attentäter soll nach dpa-Informationen eine Polizeiuniform getragen haben. Der Mann gehörte demnach zu den Sicherheitskräften, die das hochrangige Treffen schützen sollten. Als die Teilnehmer des Treffens den Konferenzraum verlassen hätten, sei der Attentäter auf die Gruppe zugegangen und habe seinen Sprengstoff gezündet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • P
    Piet

    Und jetzt alle: "Islam ist Friiiede!"

  • JR
    Josef Riga

    Die Bundeswehr darf sich über Tote nicht besonders beklagen. Schließlich führt sie in Afganistan Krieg gegen die Bevölkerung dort. Wieso eigentlich? Was haben die uns denn getan?

    Zur Begriffswahl von Frau Dr. Merkel: "Mörderische Menschenverachtung" ist, wenn man ferngesteuert eine Rakete in ein Wohnhaus jagt, in dem Alte, Frauen und Kinder sind, wie das die USA dauernd tun. D a s ist menschenverachtend: Herrschaft und Kontrolle mit Gewalt behalten wollen. Dagegen nehmen sich die Selbstmordattentate wie Verzweiflungsschreie aus. Sein eigenes Leben opfern, kann nie feige sein. In einen Schützenpanzer sitzend, einfachen Bauern gegenübertreten aber schon. Das ist die BW, die sich Herr de Maziere für die Zukunft wünscht. Schöne neue Welt!

  • T
    Tyrfing

    Der mörderische Anschlag auf Osama bin Laden war ein Grund zur Freude, eine Maßnahme um ausgebildete Mörder unschädlich zu machen ist "Mörderische Menschenverachtung"?

  • B
    berbaron

    Wenn wir heute zur Kenntnis nehmen müssen, dass durch einen Nato-Luftangriff 42 Zivilisten ums Leben gekommen sind, stellt sich hier hoffentlich nicht nur mir die Frage nach unserem Status bei den Afghanen als Mörder oder Freiheitsbeschaffer?

     

    Wahrscheinlich wird es in diesem Fall - wieder - eher ein Unglücksfall gewesen sein, oder?!?!

     

    Ob das das Leid und die Wut der Hinterbliebenen soweit mildert, dass sie wie ich für den noch nicht erkennbaren Unterschied zwischen den von ihnen z.T. als Freiheitskämpfer, von der Nato als "Terroristen" eingestuft, für die "Blind"bomber und entgleisten Einsätze der (Nato-)Bodentruppen sowie die fragwürdigen Drohneneinsätze noch den Horizont bekommen?

  • S
    Schulz

    Ich wusste garnicht, dass es Kneip gibt...

     

    die Schilderung erinnert aber

    a) an DDR

    b) an das Attentat auf Hitler 1944

    c) und irgendwann in den 70ger/80ger Jahren

    war doch schon mal was in Afghanistan...

    (und alle waren auch nicht weit weg)

     

    Wieso habe wir eigentlich Generaele,

    die keine Sicherheitskonferenzen hinkriegen?

    5km-Sperrzone und 10km-Sperrzone,

    dazwischen jede Person auf Bewegung und Identitaet kontrollieren...

    und in unsicherer Lage/Ort duerfen prinzipiell

    KEINE Sicherheitskonferenzen stattfinden.

    Auslaender auch nicht zugelassen,

    gibt immer Schwierigkeiten wie eben passiert.

    Also nur in absolut friedlichen Zeiten und Orten.

     

    Denn die Toten und deren Verwundeten usw...

    haben mich frueher und spaeter ersetzt.

  • KW
    Klaus Wendt

    50 deutsche Soldaten sind inzwischen einem sinnlosen Krieg geopfert worden. Der Hergang dieses Vorfalles zeigt erneut die Sinnlosigkeit in jeder Beziehung. Da braucht sich jemand nur eine Polizeiuniform anzuziehen und schon hat er überall Zugang ? Haarsträubend !

  • M
    MikaL

    2 tote Bundeswehrsoldaten...zeitgleich die Meldung, NATO-Bomber haben 14 afghanische Kinder getötet. Wen meint Merkel, wenn sie sagt "Mörderische Menschenverachtung"?

    Krieg eben. Von meiner Seite aus betrachtet nimmt Deutschland hier an einem Angriffskrieg der US-NATO teil und ist Kriegspartei. Soldaten deshalb ein legitimes Ziel für den Gegner. Da braucht hier im Lande niemand jammern, der für den Krieg schreibt oder im Bundestag den Finger dafür hebt. Dass die Gegner jeweils diffamiert und als 'Unmenschen', hier: Menschenverachtend, gesehen werden, kennt man aus der Kriegsgeschichte. Beendigung dieses Krieges, Rückzug. Sofort. Oh, entschuldigung, das darf Deutschland ja nicht. Außerdem gibt sich die politisch-mediale Klasse des Landes gerade Mühe, 'uns' beizubringen, dass Krieg wieder geil ist und Wirtschaftsstandortgerechte Pflicht. Deutsche Bomber über...demnächst Sanaa und Damaskus? Also, weiter töten...