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Sekten-Prozeß in Tokio verschoben

■ Verteidiger im Verfahren wegen Giftgasanschlags entlassen

Tokio (rtr/AFP) – Der mit Spannung erwartete Mordprozeß gegen den Chef der japanischen Aum-Sekte, Shoko Asahara, ist einen Tag vor Beginn auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Ein Sprecher des Bezirksgerichts in Tokio sagte gestern zur Begründung, Asahara habe überraschend seinen Anwalt entlassen, mit dem er monatelang zusammengearbeitet hatte. Nach japanischem Recht können Mordprozesse nur im Beisein eines Verteidigers verhandelt werden. Ein Sprecher des Gerichts nannte die Verschiebung des Prozesses „sehr bedauerlich“.

Asahara muß sich unter anderem wegen des Anschlages in der U-Bahn der japanischen Hauptstadt verantworten, bei dem am 20. März durch das Nervengas Sarin elf Menschen getötet und fast 3.800 verletzt wurden. Die Anklage gegen den Sektenguru, der seit dem 16. Mai in Untersuchungshaft sitzt, lautet auf Mord und Mordversuch. Im Falle einer Verurteilung droht die Hinrichtung.

Der 67jährige Shoji Yokoyama war Asaharas einziger Verteidger. Die Gründe für seine Entlassung wurden zunächst nicht bekannt. Anwälte von Opfern der Aum- Sekte sahen darin eine Verzögerungstaktik. Yokoyama hatte vergangene Woche angekündigt, sein Mandant wolle auf nicht schuldig plädieren. Yokoyama, ein früherer Staatsanwalt, hatte zudem erklärt, die Aktivitäten der Sekte Aum Shinri Kyo (Oberste Wahrheit) zu mißbilligen und Asahara nur zu verteidigen, um etwas über seinen Charakter zu erfahren und die Wahrheit über den Anschlag und die Sekte selbst ans Licht zu bringen. Er hatte sich als einziger Anwalt bereit erklärt, die Verteidigung Asaharas zu übernehmen.

Der jetzt Entlassene hatte noch am Montag versichert, er könne trotz eines Unfalls den Prozeß führen. Der Anwalt war bei einem Verkehrsunfall am Sonntag an der Hand verletzt worden. Der Wagen war von einem Mitglied der Aum- Sekte gelenkt worden, die Umstände waren zunächst unklar.

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