Seit Montag verschwunden: Richterin Courage
Sie gilt als Mrs. Tough, als Richterin Courage, manchen auch als Hardlinerin: die Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig. Seit Montag ist die Frau verschwunden.
Sie gilt als Mrs. Tough, als Richterin Courage, manchen auch als Hardlinerin: die Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig. Seit Montag ist die Frau verschwunden, von der viele sagen, sie hätte vor kaum etwas Angst. Die Polizei fahndet nach der 48-Jährigen, Anzeichen für eine Straftat gibt es aber bislang nicht.
Eigentlich wollte sie demnächst mit ihren beiden Töchtern in Urlaub fahren. Von ihrem Mann lebt sie derzeit getrennt. Vielleicht auch deshalb wird ein persönlicher Hintergrund ihres Verschwindens vermutet. Geboren wurde Heisig 1961 in Krefeld, zum Jurastudium zog sie nach Berlin, seit 2008 arbeitet sie als Jugendrichterin für den Berliner Bezirk Neukölln. Dort initiierte sie auch das sogenannte Neuköllner Modell, das mittlerweile berlinweit angewandt wird. Das Prinzip: Bei kleineren Delikten wie Einbruch oder Diebstahl, die höchstens vier Wochen Arrest nach sich ziehen, sollen jugendliche Straftäter innerhalb eines Monats verurteilt werden. Mit konsequenter und schneller Bestrafung will sie die Jugendlichen erziehen.
"Ende der Geduld" wird dann auch ihr erstes Buch heißen, im September soll es erscheinen. Ihr pädagogischer Ansatz: potenzielle Neonazis und jugendliche Schläger in denselben Kindergarten stecken - damit erst gar keine Nazis oder Schläger aus ihnen werden. Deswegen engagiert sich Heisig auch außerhalb des Gerichtssaals für Aufklärung und Gewaltprävention und arbeitet mit Initiativen wie dem Deutsch-Arabischen Zentrum für Bildung und Integration zusammen. Die Hintergründe dessen, dass die Anzahl von Delikten unter Jugendlichen türkischer oder arabischer Herkunft hoch ist, sieht sie differenziert, eine Verharmlosung von Gewalt akzeptiert sie nicht.
Auch deshalb setzt sie auf Bündnispartner aus migrantischen Verbänden. Über ideologische Kategorien setzt sie sich dabei hinweg, sie ist überzeugt: "Probleme werden nicht durch Tabuisierung gelöst." Von Menschen wie Nader Khalil vom Deutsch-Arabischen Zentrum wird sie für ihren Einsatz geschätzt, sie selbst berichtet jedoch vom Verlust von Freundschaften und einer feindseligen Atmosphäre unter manchen Kollegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus
James Bond
Schluss mit Empfindsamkeit und Selbstzweifeln!
Bodycams bei Polizei und Feuerwehr
Ungeliebte Spielzeuge
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach