: Sein Leben im Heavy Metal
Weit weg von einer Fit-for-Fun-Ästhetik, und weit weg davon, cool zu sein: Steve Almonds Kurzgeschichten „Körper in Extremsituationen“
Steve Almonds straighte, ziemlich naturidentische, eben uramerikanische Short Stories zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie den Protagonisten bei ihren zumeist unglücklichen erotischen Kollaborationen noch ins Bett nachsteigen. Almond bescheidet sich eben nicht mit lakonischer Galanterieware, sondern versucht für das, was da immer wieder Wundersames geschieht, eine Sprache zu finden, die nicht nach Herrensauna, Biologieunterricht oder gar Rappelkiste klingt. Zudem verbietet er sich ironisches Augengeklimpere und kommt auch ohne metaphorische Spitzenunterwäsche aus, die dann wieder nur bedecken soll, was da sonst nackt und bar vor uns läge – und hier tatsächlich liegt. Dass er dann doch gelegentlich in den sattsam bekannten Porno-Schmonzettenton fällt, nimmt man in Kauf. Den Versuch war es allemal wert.
Man bekommt hier allerdings auch keine körperlichen Leistungsschauen geboten, und wer eine gut geölte Fit-for-Fun-Ästhetik wünscht, sollte sich besser mit Einschlägigerem verproviantieren: Almond misstraut dem Somatischen zutiefst, gerade wenn es Spaß macht: „Sie wusste, dass der Körper nur Wünsche ausdrücken kann. Er kann keine Tatsachen aus der Welt schaffen.“
Als so lebensklug erweist sich Bascha, die dann doch bei ihrer Mutter in Polen bleibt, während ihr Geliebter am nächsten Tag für immer in die USA zurückfliegt. Folgerichtig verweigert sie sich ihm in ihrer letzten Nacht. Der Körper ist doch nichts ohne die schöne Seele, die in ihm wohnt. Aber wenn die sich nicht zeigt, ist er das Einzige, woran man sich noch halten kann. In der formal avanciertesten Geschichte, „Versuch einer Annäherung“, spielt Almond einige Situationen durch, in die zwei paarungsbereite Menschen geraten können. Und wie diese Durchschnittsmenschen sich taxieren, beurteilen, im Stillen diskreditieren und trotzdem weitermachen aus bloßem Opportunismus, auch weil sie vielleicht Besseres nicht mehr kriegen, das ist nicht nur zutiefst ernüchternd und entlarvt die gesamte Romantik als faulen Zauber, das ist nebenbei auch sehr gut beobachtet und schlicht die Wahrheit.
Allein, cool ist was anderes. Aber um solche Kategorien schert sich Almond glücklicherweise nicht. In „Wie man eine Republikanerin liebt“ lässt er den Ich-Erzähler, einen liberalen Politfunktionär, eine Affäre mit einer flammenden Wahlkämpferin für Bush junior beginnen, und obwohl der Autor nicht verbergen kann, dass er mit der politischen Gesinnung seines Alter Egos voll und ganz übereinstimmt, macht das doch eine reichlich schlechte Figur. Während sie die ideologischen Differenzen auszuhalten bereit ist, kann der verbitterte Demokrat ihr die Wahlmanipulationen in Florida nicht verzeihen und fängt beim Cunnilingus an zu diskutieren … cool ist was anderes!
Das beginnt schon beim Titel. Im Original heißt das Buch nach der ersten Erzählung: „My Life in Heavy Metal“. Weil sich so etwas hierzulande aber keine 5.000-mal verkaufen lässt, hat der Verlag stattdessen die letzte Geschichte zum Titelspender erkoren. Ach, wie kleinmütig! Wenigstens hat man nicht gleich die ganze Story entfernt.
In dieser erzählt Almond von einem hart arbeitenden jungen Musikkritiker in El Paso, der zu Ratt, Poison, Winger, Warrant, Skid Row und anderen miesen Hair-Bands der Achtzigerjahre geschickt wird und eine Konzertbesprechung nach der anderen raushauen muss. Und kaum zu glauben: Er macht seinen Job sogar gern! Dieser junge Journalist war der Autor offenbar selber. Andere schämen sich für so etwas. Almond erzählt davon. Das soll er ruhig weiter so halten! FRANK SCHÄFER
Steve Almond: „Körper in Extremsituationen. Stories“. Aus dem Amerikanischen von Ingo Herzke. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2004, 239 Seiten, 8,90 Euro