Seilbahn-Rocker

Auf einem Brett, gezogen von einer Liftanlage für Wasserski, demonstrieren Wakeboarder auf dem Neuländer See, dass man selbst angeleint eine zweifache Rolle rückwärts ausprobieren kann

Von März bis Oktober steht er fast jeden Tag auf dem Brett. Fast immer an der Wasserskilift-Anlage auf dem Neuländer See. Sich jedoch beschaulich über das Wasser ziehen zu lassen ist nicht Patrick Ungers Ding.

Er schnappt sich das Kabel lieber, um sich in der Luft zu drehen, über Rampen zu springen oder andere Hindernisse zu gleiten. Wakeboarding heißt sein Sport und man muss nur auf die vielen kleidungsbefreiten Oberkörper der Teilnehmer am Wettkampftag starren, um zu ahnen, dass ihn die Fahrer ernster nehmen, als bloßen Freizeitvertreib. Zum Wakeboarding kam Unger wie viele andere auch über das Skate- und Snowboarden. Ähnlich wie im Schnee geht es auch bei den Wasserboardern um das richtige Kanten. Nur dann kann man sich richtig aus dem Wasser abstoßen, um außergewöhnliche Tricks zu zeigen.

Im Wettkampf ist es „wichtig lieber fünf saubere, als zehn schlampige Tricks zu zeigen“, erklärt Unger, „es geht um die Höhe, Aggressivität und Sauberkeit“. Sprünge über zwei Meter mit wilden Drehungen sind dabei keine Seltenheit. Verletzungssorgen gehören dazu. „Wenn man nach oben kommen will, muss man schmerzfrei sein“, sagt Unger, „ich habe schon einen Halswirbel-Haarriss.“

Unger schmücken die Titel des Vizeweltmeisters und Deutschen Meisters bei den Junioren 2001. In diesem Wettkampf, „The Crown 2005“, sollte er nicht gekrönt werden. Benjamin Süß, elffacher deutscher Meister setzte sich mal wieder die Krone auf. Seine schwierigen Tricks, routiniert vorgetragen, überzeugten die Jury. Dabei sorgte Unger für den spektakulärsten Moment. Nach zwei starken Läufen versuchte er mit einem Trick, der noch nie gestanden worden ist, die Jury auf seine Seite zu ziehen. Obwohl er die Double-Backroll, eine zweifache Rolle rückwärts, im und nicht auf dem Wasser beendete, applaudierten ihm die gut 300 anwesenden Zuschauer und freuten sich über Ungers zweiten Platz. Richtig traurig ist er nicht. „Für das erste Jahr ist hier ein starkes Teilnehmerfeld am Start“, freut sich der Lokalmatador über die Resonanz bei vielen Topfahrern aus Deutschland.

Dafür, dass er täglich trainieren kann, ist er von Wilhemshaven in die Nähe von Hamburg gezogen. „Im Sommer arbeite und trainiere ich hier und am Wochenende fahre ich auf Contests.“ In diesem Jahr stehen für ihn noch die WM in Ungarn, die Deutschen Meisterschaften im Allgäu und am 26.-28. August die EM auf dem Alfsee bei Osnabrück statt.

Ob er daran allerdings teilnehmen kann, steht noch nicht fest. Beim Hochsprung-Wettbewerb, einem anschließenden Show-Event, passiert Unger was er bereits vorhergesehen hatte: da der Hochsprung bei Dunkelheit stattfindet und dem Fahrer nur mit einem Scheinwerfer der Weg über den beleuchteten Wasserstrahl gewiesen wird, sorgte er sich bereits vor dem Wettkampf über die Landung. „Ich hoffe, dass ich in der Dunkelheit auf dem Board lande.“ Gleich bei der ersten Landung zog sich Unger eine Bauchmuskelverletzung zu.

Im nächsten Jahr planen die Macher der Trendsportreihe „The Crown 2005“ (www.thecrown2005.de) einen Ausbau des Wettbewerbs, der mit 1.500 Dollar Preisgeld ausgeschrieben war. „Es freut uns sehr, dass sowohl Fahrer als auch Zuschauer zahlreich gekommen sind“, freut sich Organisator Nils Arend. Er gehört zu denen, die versuchen den Trendsport zu professionalisieren. Das wünscht sich auch Patrick Unger. „Zwar sagen viele, dass es nicht kommerzieller werden soll. Aber wenn es kommerzieller wird, ist es einfacher für die Fahrer häufiger auf‘s Wasser zu kommen. Das ist wichtig, um das sportliche Level zu erhöhen.“ Oke Göttlich