Sehverhalten ausspähen: YouTube schaut zurück
Mit Hilfe von "Hotspots" will Google die Nutzung von YouTube-Clips sekundengenau erfassen. Das bleibt nicht die einzige Neuerung auf dem Weg zum völlig durchschaubaren Internet-User.
Der Internet-Konzern Google hat neue Funktionen für seinen populären Videodienst YouTube angekündigt. So soll es künftig möglich sein, deutlich größere Filmdateien hochzuladen. Das bisherige Speicherlimit wurde auf ein Gigabyte angehoben, um auch hochauflösende Streifen annehmen zu können. Hauptneuerung ist aber ein Dienst, der die verfügbaren Statistiken über die Nutzung von YouTube-Videos deutlich verbessert: Ersteller von Filmen erhalten künftig ein sekundengenaues Werkzeug, mit dem sie analysieren können, wie ihre Clips gesehen werden.
Google nennt die Technologie "Hotspots" - gemeint sind damit die Segmente in einem Clip, bei denen besonders viele Nutzer dabei bleiben oder aber abschalten. Dargestellt wird das Ergebnis in Form einer Kurve, die parallel zum Video erscheint. Außerdem vergleicht Google "heiße" und "kalte" Bereiche in einem Clip mit Videos ähnlicher Länge und will auch die Vor- und Rückspulfunktion einbeziehen.
So ergibt sich ein erstaunlich präzises Bild, wie ein Film genutzt wird. Google stellt sich vor, dass YouTube-Inhalteproduzenten ihren Streifen danach umschneiden können, um die besonders populären Stellen hervorzuheben; außerdem könnten sie Textnotizen ergänzen, um die Nutzer bei der Stange zu halten, heißt es in der Ankündigung von "Hotspots".
Dass dann womöglich Bereiche unter den Tisch fallen, die wichtige aber möglicherweise langatmig präsentierte Informationen enthalten, steht auf einem anderen Blatt. Google hält seine Technologie für vergleichbar mit den Analysemethoden, die Fernsehsendern zur Verfügung stehen - bei YouTube sind sie aber nicht nur bei einer repräsentativen Zielgruppe messbar, sondern an den Echtzeitdaten sämtlicher User.
Der Videodienst bietet schon seit längerem diverse Statistiken für seine Nutzer an, die über die einfachen Abrufzahlen eines Films, die sich relativ leicht fälschen lassen, deutlich hinausgehen. Ein Service namens "Insight" stellt unter anderem dar, aus welchen Ländern Nutzer kommen, wie populär ein Film im Vergleich zu anderen Clips ist und wann besonders viele Nutzer zusehen.
"Insight macht aus YouTube eine der breitesten Marktforschungsinstrumente der Welt", hatte Google damals angekündigt. Die dabei anfallenden Informationsmengen sind unter Datenschutzaspekten jedoch keineswegs als harmlos zu betrachten, wie etwa die Netzbürgerrechtsorganisation "Electronic Frontier Foundation" (EFF) befand.
Erhebungen von Nutzungsmustern und anderen Informationen bei YouTube hatten erst im letzten Sommer für Schlagzeilen gesorgt, als bekannt wurde, dass Mutterfirma Google in einem Gerichtsverfahren wegen möglicher Copyright-Verletzungen bis zu 12 Terabyte an Nutzungsinformationen an den Medienkonzern Viacom übergeben soll. Darin enthalten sollte das gesamte Verhalten einzelner YouTube-Nutzer sein - darunter auch, welche Filme wann von wem betrachtet wurden und wer etwas hochgeladen hat.
Google versuchte, gegen die Anordnung vorzugehen und versprach, die Daten wenn möglich zu anonymisieren. Wie weit diese Anonymisierung allerdings geht, ist bislang unklar. Einige Nutzer fürchteten deshalb zwischenzeitlich, von Viacom selbst wegen möglicher Urheberrechtsverletzungen bei YouTube verklagt zu werden.
YouTube arbeitet auch an anderen Werkzeugen, die den meisten Nutzern weniger schmecken dürften: So wurden zu den olympischen Spielen erstmals so genannte Geofilter eingesetzt, mit denen sich Videos auf bestimmte Länder beschränken lassen. Resultat: Clips von den Sportereignissen in Peking waren nur in den wenigen Regionen zu sehen, in denen das IOC keine Lizenzrechte an lokale Sender verkauft hatte und deshalb versuchte, über YouTube zumindest Werbeeinnahmen zu generieren. Nutzer aus Deutschland und vielen anderen Ländern mussten hingegen draußen bleiben.
Auch intern wird bei Google an diversen Filtertechnologien geforscht. So sollen spezielle Urheberrechtsalgorithmen vermeiden, dass bereits von Medienkonzernen gesperrte Clips erneut hochgeladen werden. Hintergrund ist der Druck, den Hollywood und Co. inzwischen gegen Google aufgebaut haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!