Sehnsucht nach Live-Kontakten: Der Corona-Agent

Die Coronagesetze meiner Frau sind unerbittlich. Also wollte ich heimlich einen anderen Menschen treffen und machte eine überraschende Erfahrung.

Ein als Spion verkleideter Mann steht mit Fernglas und Schlapphut vor einem Teil des Neubaus des Bundesnachrichtendienstes in Berlin.

Begegnung in Sicht? Die Corona-Isolation treibt seltsame Blüten Foto: dpa/Paul Zinken

Auf der menschenleeren, regennassen Straße sehe ich meinen Kumpel Hasan, der genau wie ich wegen der Maskenpflicht total vermummt und schwer am Atmen ist. Um sich von zehn Kilo Tomaten zu erholen, die er in zwei große Tüten verteilt hat, bleibt er kurz unter einem Baum stehen.

Ich freue mich riesig, meinen Kumpel in diesen schweren Coronazeiten endlich wiederzusehen. Aber just in diesem Moment sehe ich zwei vermummte Gestalten sich nähern – sage deshalb unauffällig: „Wir treffen uns in fünf Stunden bei Einbruch der Dunkelheit wieder hier. Gleiche Straße, gleicher Baum, um exakt 21.42 Uhr.“ Hasan bestätigt mit einem kurzen Kopfnicken.

Blitzschnell entferne ich mich vom Ort des Geschehens, ohne mich noch einmal umzudrehen, wie in den früheren US-Agentenfilmen, während des kalten Kriegs.

Meine Frau erlaubt es mir nie, zu uns nach Hause auch nur einen einzigen Freund einzuladen. Sie macht ihre eigenen Coronagesetze, und bei ihr gilt die Regel, dass Zusammenkünfte nur mit Null Haushalten und insgesamt Null Personen erlaubt sind. Nicht nur zu Hause, sondern auch draußen auf der Straße. Das Politbüro der Kommunistischen Partei Chinas ist im Vergleich zu meiner Frau ein Musterbeispiel an blühender Demokratie.

Dass die Zusammenkunft mit meinem Kumpel Hasan bei Einbruch der Dunkelheit, auf einer leeren Straße ohne Wohnhäuser, unter einem Baum mit vielen Ästen und Blättern, stattfinden wird, ermutigt mich in meinem Anliegen, Eminanims Coronagesetze einmal zu umgehen.

Mein Herz schlägt Purzelbäume

Ich kann die fünf Stunden kaum abwarten, und unter dem Vorwand meine neue Maske bei den aktuellen schwierigen Wetterbedingungen testen zu wollen, gehe ich aus dem Haus.

„Osman, pass auf deine Mütze auf! Bei dem starken Wind ist deine Mütze viel gefährdeter als deine Maske“, ruft mir das Politbüro hinterher.

Als ich mich mit einer dicken Mütze auf dem Kopf und einer fetten Maske im Gesicht dem Treffpunkt nähere, schlägt mein Herz Purzelbäume. Nicht nur aus Freude. Mein lieber Freund Hasan ist bereits da und wartet sehnsüchtig auf mich. Und kein Mensch weit und breit.

„Hasan, nimm bitte kurz deine Maske ab und lass mich dein hübsches Gesicht erblicken, mein tapferer Freund“, brülle ich meine Freude in die Dunkelheit hinaus. Hasan nimmt seine Maske ab, aber was ich zu sehen bekomme, ist kein Hasan – bestenfalls ein Hans!

„Du bist doch nicht Hasan!“, stammele ich total enttäuscht.

„Das habe ich auch nie behauptet“, sagt er.

„Warum bist du dann hier? Hat dich das Politbüro geschickt?“, frage ich aufgeregt.

„In diesen harten Coronazeiten habe ich auch das Bedürfnis einen Menschen zu treffen. Selbst so einen Idioten wie dich.“

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ist Satiriker in Bremen. Zu hören gibt es seine Kolumnen unter https://wortart.lnk.to/Osman_Corona. Sein Longseller ist der Krimi „Tote essen keinen Döner“ (dtv).

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