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Archiv-Artikel

Segelkrimi auf See und an Land

Sturm, Kenterungen und Proteste sorgen für hochdramatisches Finale in der 49er-Jolle, am Ende gewinnen die Dänen

BERLIN taz ■ Erst 19 Stunden nach dem letzten Rennen ist am Montag über die Segelmedaillen in der 49er-Zweimannjolle entschieden worden, und zwar an Land. Die entscheidende Protestverhandlung hatte schon am Sonntagabend begonnen, zog sich bis in die Nacht und wurde am Montagvormittag fortgesetzt. Letztlich setzte sich eine Entscheidung zugunsten des Segelns und gegen eine enge Regelauslegung durch, die von der Wettfahrtleitung favorisiert worden war. Denn diese selbst hatte Protest eingelegt gegen das dänische Team Jonas Warrer und Martin Ibsen. Die beiden hatten in letzter Minute wegen Mastbruch ihr Boot ausgetauscht.

Warrer und Vorschoter Ibsen gewannen jetzt nach einer beständigen Serie und einer schlaflosen Nacht Gold. Bei einer Disqualifikation wären sie Vierte geworden. Die Dänen, die vor dem Finalrennen die Wertung mit elf Punkten Vorsprung geführt hatten, waren bei starkem Wind bis zu 20 Knoten und bis zu zwei Meter hohen Wellen schon auf dem Weg zum Start gekentert. Dabei brach ihr Mast. Sie liehen sich vom nicht für das Finale qualifizierte kroatischen Team das Boot und begannen das Rennen als Letzte nur vier Sekunden vor Schließen der Startlinie.

Der Wind war so stürmisch, dass es weniger um schnelles als vielmehr um sicheres Segeln und im Falle einer Kenterung dann um schnelles Aufrichten ging. Ständig wechselten die Medaillenplätze, je nachdem, wer gerade gekentert war. Die kippelige 49er-Jolle ist trotz der im Trapez hängenden Mannschaft für stürmischen Wind übertakelt und neigt bei Wellengang zum Unterschneiden. So gab es an diesem Tag nicht eine Mannschaft, die nicht mindestens einmal im Wasser landete. Zugleich war wegen starken Regens die Sicht schlecht und das Feld unübersichtlich.

Als Erste gingen schließlich trotz Kenterung die Spanier Ike Martinez und Xabier Fernandez durchs Ziel. Sie hatten 2004 in Athen Gold geholt. Zweite wurden die deutschen Jan-Peter und Hannes Peckolt. Sie waren kurz vor dem Start, noch einmal während des Rennens und direkt danach gekentert. Vor dem letzten Race hatten sie auf Rang fünf gelegen und konnten sich noch an den vor ihnen liegenden Australiern und Italienern vorbei auf einen Medaillenrang schieben.

Die als letzte startenden Dänen wurden in diesem nur aus zehn Booten bestehenden Feld mit einer Kenterung kurz vor dem Ziel Siebte und wahrten ihre Goldchance – sofern sie nicht disqualifiziert werden würden. Der Austausch von Boot und Material ist nur nach strengen Regeln erlaubt, die die Dänen in dieser Situation gar nicht hätten einhalten können. Daher werten die meisten Beobachter das Urteil zugunsten der Dänen als Entscheidung für Fairplay. Doch zunächst hatte das Schiedsgericht zu befinden, ob der Lauf wegen des widrigen Wetters überhaupt hätte stattfinden dürfen. Dies wurde noch am Sonntagabend positiv entschieden.

Der dänische Vorschoter Ibsen beschrieb seine Gefühle während der Schiedsgerichtsverhandlungen: „Ich wünsche so etwas nicht meinem ärgsten Feind. Du bist unten, du bist oben, wieder unten. Du denkst, du siegst, du verlierst.“ Der ganze Ablauf vom Mastbruch bis zur Entscheidung des Schiedsgericht habe etwas Irreales gehabt.

Das spanische Team und die deutschen Peckolt-Brüder, die bei Disqualifikation der Dänen Gold und Silber gewonnen hätten, gratulierten Warrer und Ibsen. Die Peckolt-Brüder holten nach 2000 die erste deutsche olympische Segelmedaille. Hannes Peckolt: „Für uns ist die Farbe der Medaille egal – wir freuen uns über Bronze.“ SVEN HANSEN