■ Seehofers Gesundheitsreform mischt Kassen und Ärzte auf: Ordentlich Dampf im Kessel
Dem Laien wird speiübel, seit er damit rechnen muß, daß sich die Vorwürfe bestätigen und ausweiten könnten, nach denen hohe Vertreter des samaritären Gesundheitswesen die sauer verdienten Beiträge der Krankenkassenmitglieder zum Fenster hinauswerfen. Wieviele Milliarden auf diese Weise durch Abrechnungen für künstliche Herzklappen-Kernspintomographen, Herzkathetermeßplätze, Hüftprothesen und so manches mehr im Bermudadreieck zwischen Verwaltungschefs, Chefärzten und Krankenkassenfürsten verschoben wurden, sei dahingestellt. Das Medizinerlatein hat dafür elegantere Begriffe: „Manus manum lavat“ – ein Händchen wäscht das andere – oder die vielzitierte „indicatio pecuniae“ – der medizinische Eingriff aus Geldgründen. Jahrzehntelang konnten alle heute Verdächtigen im Dunkeln munkeln – der Finanzierungsmodus durch die Krankenkassen war großzügig und weitgehend unkontrollierbar.
Seit Seehofers Reformen ist Dampf im Kessel. Honorarbudgets, die Aufhebung des Selbstkostendeckungsprinzips mit angekündigten Fallpauschalen und deren Kürzungen, sowie die Beschneidung chefärztlicher Pfründe durch die geplante Änderung der Gebührenordnung für Privatpatienten bringen erhebliche Unruhe ins System. Jeder gegen jeden, heißt jetzt die Devise. Jahrzehntelange Allianzen brechen klirrend auseinander. Die im Gesetz vorgesehene Haftbarkeit hauptamtlicher Geschäftsführer der Krankenkassen für verschluderte Beitragsgelder macht auch sie vorsichtiger.
Den Chefärzten geht es jetzt wirklich ans Eingemachte. Vorbei die Zeiten, in denen eine kleine elitäre Clique ganze Heerscharen von unterbezahlten Heloten für sich arbeiten lassen konnte. In Zukunft sollen sie nur Leistungen abrechnen können, die sie auch wirklich selbst – manche fordern sogar „höchstselbst“ – erbracht haben. Ausnahmen: Urlaub, Krankheit und Kongresse. Ob der Kongreßpassus noch vertretbar ist, kann nach den jüngsten Enthüllungen über die Finanzierungen von „wissenschaftlichen Kongreßreisen“ durch Sponsorengeld des medizinisch-industriellen Komplexes zu recht bezweifelt werden. Und wenn „Drittmittelfinanzierung“ der Unis überwiegend als Produktmarketing betrieben wird, dann ist sie kontraproduktiv. Epizentrum für Korruption und Bestechlichkeit zu sein, das kann sich die deutsche Hochschulmedizin nicht leisten.
Die akuten Vorwürfe wird die Staatsanwaltschaft zu klären haben – dem geprügelten Ärztestand sei ein Bibelwort mit auf den Weg gegeben: „Arzt, hilf dir selber.“ Heidi Schüller
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