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Archiv-Artikel

Seehofers Entschädigungsforderung kann der Bahn egal sein Kaum was zu melden

Höhere Entschädigung mit Bargeld bei Verspätung – mit so einer Forderung lässt sich beim Bahn-Volk punkten. Das weiß auch Bundesverbraucherminister Horst Seehofer, der jetzt via Bild am Sonntag eine großzügigere Regelung fordert. Und das dürfte allen aus dem Herzen sprechen, die einmal deutlich später als geplant an ihrem Ziel angekommen sind – also so ziemlich jedem Bahnkunden.

Doch all denen, die jetzt frohlocken und Seehofer zum Robin Hood der Bahnkunden erklären wollen, muss gesagt werden: Der Mann wird sich nicht durchsetzen können. Und er müsste das eigentlich auch wissen. Das Verbraucherministerium ist nur Teil einer Gruppe von Vertretern des Bundes und der Länder, die einen gemeinsamen Gesetzentwurf zum Thema erarbeiten. Die Verhandlungsführung liegt bei Bundesjustizministerin Zypries, nicht bei Seehofer. Die Gruppe ist mit ihrer Arbeit noch lange nicht fertig und wird frühestens im Herbst Ergebnisse präsentieren.

Außerdem sind die jetzt veröffentlichten Pläne nur zum Teil im Verbraucherministerium erarbeitet worden. Denn die EU plant bereits eine Verordnung für den grenzüberschreitenden Schienenverkehr, die in vielen Punkten den Seehofer-Vorschlägen gleicht. Lediglich in der Frage, ob bereits eine Verspätung von mehr als 30 Minuten entschädigt werden soll, gehen die Vorstellungen des Ministers, der sich in der Agrarpolitik maximal für eine Eins-zu-eins-Umsetzung der Brüsseler Vorgaben ausspricht, über die der EU-Kommission hinaus. Die will erst ab 60 Minuten einen Rechtsanspruch auf Entschädigung festschreiben – wohl auch in bar.

Wenn diese Vorgabe europaweit gilt, bedeutet das einen ausreichenden Schutz für die Verbraucher. Eine strengere Regelung könnte dem Bahnkunden und dem Steuerzahler am Ende schaden. Denn von einem der beiden würde sich die Bahn die entstehenden Mehrkosten zurückholen. Ansonsten drohen rote Zahlen. Oder eine Verringerung des Angebots. All das wäre ein zu hoher Preis für eine Entschädigung schon ab 30 Minuten.

STEPHAN KOSCH