Seefahrergeschichten im Kino: Schiff Ahoi im Filmsaal
Der Dokumentarfilmer Frank Stolp und sein Sohn Lennart haben einen Film über fünf norddeutsche Kapitäne gemacht
Vom Kreuzfahrtschiff „MS Europa“ zur Barkasse „Sabine“, vom großen zum kleinen Kahn. Regisseur Frank Stolp spielt mit dem Kontrast in seiner Dokumentation „Kapitäne“. So wechselt der Schnitt mehrere Male zwischen Kapitän Ulf Wolter, der mit 30 Jahren Berufserfahrung alle sieben Meere befahren hat zu Günther Rieck, der Rundfahrten im Hamburger Hafen macht, hin und her.
Rieck bezeichnet sich selber gar nicht als Kapitän, sondern ganz bescheiden als „Schiffsführer“. Doch per Definition braucht auch der kleinste Kutter einen Käpitän und Stolp wollte möglichst unterschiedliche Ebenen dieses Berufs abdecken.
Ausgesprochen maritim
Insgesamt fünf Protagonisten stellt der Film vor. Patrick Ehnert, der mit 27 Jahren Kapitän wurde und mit dem Katamaran HSC Halunder in dreieinhalb Stunden von Hamburg nach Helgoland rast. Der alte Seebär Iko Eiben, der aus einer Kapitänsdynastie stammt und inzwischen im Ruhestand ist. Der fünfte Kapitän ist Rainer Stange, der lange auf dem Containerschiff JPO Canopus fuhr und es wie eine gut geölte Maschine führt.
Der in Norderstedt lebende und arbeitende Frank Stolp hat einen ausgesprochen maritimen Film gemacht. Dazu trieb den geborenen Oberhausener nach eigenen Angaben nicht die Liebe zur See. Stattdessen faszinierte ihn, welche Verantwortung Kapitäne bei ihrer Arbeit tragen, welche Konsequenzen ihre Entscheidungen haben und wie grundlegend sie auf ihren Schiffen das Sagen haben.
So ähnlich ist es ja auch bei Regisseuren und in diesem Sinne bestätigt sich hier, dass Filmemacher im Grunde nur von sich selber erzählen können und wollen. Doch dies kann eben auch in der Form einer solide recherchierten Dokumentation sein, bei der sich der Filmemacher selber so weit wie möglich zurücknimmt und statt dessen seine Protagonisten zum Erzählen bringt.
Kuriose Einblicke
Es gibt in seinem Film ungewöhnlich viele Totalen und Nahaufnahmen, denn zum einen musste Stolp die Schiffe möglichst auf voller Fahrt im Einsatz zeigen. Aber wirklich neugierig war er auf die Menschen – darauf, was es ausmacht, ein Kapitän zu sein und wie sie selber sich in dieser Rolle sehen. Dabei kommt er ihnen erstaunlich nah.
Dreieinhalb Jahre hat Stolp an seinem Film gearbeitet. Dadurch entstand eine Vertrautheit mit den Protagonisten, Stolp spricht sogar von Freundschaft, und das spürt auch der Zuschauer. Es gibt auch einige kuriose Einblicke. So verwandelt sich etwa der Kreuzfahrtkapitän Ulf Wolter, der jeweils ein halbes Jahr auf See und ein halbes Jahr Urlaub an Land verbringt, in seiner Freizeit in einen Hippie, der eine Citroen-Ente fährt und Zappa-Platten hört.
Der weißbärtige Iko Eiben weiß nach 47 Jahren auf See: „Alles was schwimmt, kann man fahren!“ Er driftet oft ins Englische, auch während er die gefährlichste Situation seines Berufslebens beschreibt. Im englischen Kanal wäre er beinahe mit einem anderen Schiff zusammengestoßen. Zum Ende hin läuft der Film leider aus dem Ruder. Als Rainer Stange sich entschied, von Hamburg auf die Philippinen auszuwandern, folgten ihm Stolp und sein Sohn zu der längsten und teuersten Recherchereise ihres Films.
Verwirrendes Schlusskapitel
Doch als sie in Manila ankamen, erfuhren sie, dass ihr Protagonist dort ganz plötzlich an einem Herzinfarkt verstorben war. Sie drehten ein paar Aufnahmen auch mit Stanges Freundin und verwendeten dieses Material schließlich auch. Dieses Schlusskapitel verwirrt nur und hat im Grunde kaum etwas mit dem eigentlichen Thema des Films zu tun.
Doch Stolp hat den Film auch selber geschnitten, denn „Kapitäne“ ist ein Autorenfilm reinsten Wassers. Keine Filmförderanstalt hat ihn finanziert und kein Fernsehsender garantiert einen Sendeplatz. Frank Stolp erledigt seit den 90er-Jahren mit seiner eigenen Firma Auftragsarbeiten. Er dreht Image- und Informationsfilme, Konzertaufzeichnungen und Musikclips. Sein 1993 geborener Sohn ist in das Metier hineingewachsen und arbeitet in der Firma des Vaters als Kameramann.
Vor ein paar Jahren war es für Stolp an der Zeit, einmal einen eigenen Film zu machen. Da die Arbeit für die Brotjobs, mit der der Film finanziert werden musste, immer Vorrang hatte, hat es dann dreieinhalb Jahre gedauert, bis er fertig wurde.
Film sucht Kino
Man merkt dem Film die handwerkliche Sicherheit und Routine des Filmemachers an, aber seine Qualitäten gehen darüber hinaus, denn man spürt die Neugier, mit der sich Stolp den Kapitänen genähert hat. Dabei findet er ein gutes Gleichgewicht zwischen Technik und Tiefe, sodass man im Laufe des Films immer besser versteht, was diese fünf Menschen zu Kapitänen macht.
Da Stolp den Film so autark produzierte, hat er auch keinen Verleiher. Er ist auf der Suche nach interessierten Kinos und anderen Abspielstätten. Bis jetzt ist „Kapitäne“ nur im Hamburger Abaton Kino gezeigt worden. Und er läuft regelmäßig im Bordunterhaltungsprogramm des Kreuzfahrtschiffs „MS Europa 2“. So wissen die Passagiere etwas besser, wem sie sich da anvertrauen.
„Kapitäne“, Vorstellung mit den Filmemachern und Gästen, 9. Juli, 11 Uhr, weitere Termine: 16., 23. und 30. 7. jeweils 11 Uhr, Abaton, Hamburg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!