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Scientologen in der PiratenparteiKaperversuch durch Sekte?

Die Piraten sind über den Zulauf von Scientologen in die Partei besorgt. Auf dem Bundesparteitag in zwei Wochen soll die Sekten-Mitgliedschaft thematisiert werden.

Scientlogy? Auch die Piraten sagen "Nein, Danke!" Bild: reuters

BOCHUM taz | Nach der Diskussion um die NPD-Vergangenheit einiger ihrer Mitglieder kämpft die Piratenpartei nun gegen eine mögliche Unterwanderung durch die Scientology-Sekte. „In unserer Mailingliste hat ein Mitglied aus Düsseldorf bekannt, dass er Scientologe ist“, bestätigte der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende der Piraten, Michele Marsching, der taz. Gegen den Düsseldorfer laufe ein Parteiausschlussverfahren. Drei weiteren Bekannten des Scientologen habe der Düsseldorfer Kreisverband der Partei die Aufnahme verweigert.

Erst im Oktober hatten die Piraten über dem Umgang mit Parteimitgliedern gestritten, die früher Teil der rechtsextremen NPD waren. Parteichef Sebastian Nerz sprach von von "Jugendsünden". Sein Stellvertreter Bernd Schlömer konterte in der taz, in der Partei sei "kein Platz für ehemalige NPDler". Scientology wird vorgeworfen, Anhänger einer Gehirnwäsche zu unterziehen und wird in mehreren Bundesländern, darunter auch NRW, vom Verfassungsschutz beobachtet.

Auf Initiative des aus Ostwestfalen stammenden Piraten Hans Immanuel Herbers soll der Bundesparteitag im Dezember deshalb über eine „Unvereinbarkeitsklausel“ debattieren. „Die Partei muss definieren, was geht und was nicht“, sagt der evangelische Pfarrer. Scientology sei eine nur auf wirtschaftlichen Profit orientierte totalitäre Organisation: „Mit Religion hat das nichts zu tun.“ Ohne Bundesparteitagsbeschluss drohten immer neue langwierige Einzelfallentscheidungen.

Die Basis entscheidet vor Ort

Die Bundesebene dagegen hält einen solchen Beschluss für unnötig. „Wir können schon jetzt sagen, dass eine gleichzeitige Mitgliedschaft bei Piraten und Scientology unvereinbar ist“, sagt Vize-Parteisprecher Aleks Lessmann – schließlich wende sich schon die Satzung der Bundespartei gegen totalitäre Ideologien. Der Bundesvorstand werde deshalb nicht aktiv werden. „Bei uns entscheidet die Basis vor Ort.“

Einen förmlichen Unvereinbarkeitsbeschluss hält auch NRW-Landeschef Marsching für unnötig. „Was machen wir, wenn in der nächsten Woche der nächste Anhänger einer anderen Sekte auftaucht“, fragt er und setzt ebenfalls auf die Basis: „Spinner fliegen bei uns schnell 'raus“, verspricht Marsching. Auf dem Landesparteitag werde eine mögliche Unterwanderung durch Scientology deshalb kein Thema sein.

Schon heute laufe im westfälischen Hamm ein Parteiausschlussverfahren gegen einen rechtsextremen Piraten, der „Sippenhaft für kriminelle Ausländer“ gefordert habe. In Soest sei einem ehemaligen NPDler die Mitgliedschaft direkt verweigert worden – ebenso wie einem Linksextremen, der sich selbst als „Stalinist“ bezeichne und die Todesstrafe für Neonazis gefordert habe.

Auch die Bundespartei beruhigt: Insgesamt könne etwa ein Prozent der potenziellen Neumitglieder als Extremisten identifiziert werden – und das sei bei jeder anderen Partei ähnlich.

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8 Kommentare

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  • BQ
    bus qn

    @ FranKee

     

    Ist jetzt zwar schon eine zeitlang her, aber trotzdem:

    Mir macht auch eher der Einfluß von Scientology, Mafia etc. auf die "großen" Parteien Sorgen. Wenn sich Leute, die ansonsten immer nur alles im großen Stil anleiern, für eine aufstrebende, aber kleine Partei derart interessieren, ist das eher ein klares Indiz dafür, wie unterwandert die etablierten Parteien bereits sind, ohne daß es jemanden juckt. Und was die Unterwanderung durch "Nazis" anbelangt ebenso (vergl. Sarrazin). Andererseits: wo sollen denn Typen, die irgendwann gemerkt haben, daß Rechtextremismus dämlich ist hin, wenn sie sich politisch immerhin noch interessieren? Sich "kaufen" lassen und ansonsten weitermachen wie gehabt?!?

  • M
    Moser

    Eigentlich sind ja die Piraten angetreten um gegen festgefahrene gesellschaftliche Situationen zu rebellieren. Nun fallen sie - zumindest die NRW Piraten - schon fast in eine Art Paranoia.

    Man stelle sich vor EIN Mitglied outet sich als Scientologe und schon ist die ganze Partei in Gefahr. Man stelle sich auch vor, dass wohl jeder der 12000 Scientologen in Deutschland zumindest in zwei Vereinen, Parteien etc ist wie ja auch viele andere Deutsche. Ist nun das Vaterland in Gefahr? Muss nun jede gesellschaftliche Insititution eine "Scientologen Raus" Parole definieren?

    Ich hatte gemeint, dass die Parteien gegen solche gesellschaftlichen Diskriminierungen antreten, jetzt spielen sie sogar Vorreiter dafür... Absurd!

  • S
    SaWe

    "Unvereinbarkeitsbeschlüsse" gegen bestimmte Gruppen und Gemeinschaften haben immer den fahlen Nachgeschmack der Sippenhaft. Warum hilft man sich nicht mit einem schriftlich formulierten Bekenntnis im Aufnahmeantrag zu Grundgesetz und Menschenrechten? Und wer Volksverhetzung betreibt, wird ausgeschlossen. Ist ja ohnehin ein Straftatbestand.

  • HS
    Hans Stoffel

    Wart Ihr wieder so unvorsichtig, einem Headliner von der BILD-Zeitung einen Praktikumsplatz zu geben?

     

    Dort wird aus einem einzelnen Scientologen, der sich in eine Partei verirrt, gleich ein "Kaperversuch durch Sekte" ... aber bei Euch?

     

    Im übrigen scheinen die Abwehrreflexe gegen Mitglieder dubioser Sekten auch bei den Piraten zu funktionieren. Also kein Problem.

     

    Es grüßt Euch: Stoffel

  • J
    Jimmy

    Was für ein Drama. Ein Scientologe hat sich zu seiner Scientology Mitgliedschaft bekannt. Also kann von einer Infiltration wohl kaum die Rede sein. So hat ein einzelner Scientologe mal wieder für ein Rauschen im Blätterwalt gesorgt.

  • KB
    Käptn Blaubär

    „In unserer Mailingliste hat ein Mitglied aus Düsseldorf bekannt, dass er Scientologe ist“

     

    Da habt Ihr ja grade noch die Kurve gekriegt, ein unentdeckter Scientologe in der Partei, nicht auszudenken.

     

    Was für ein Spackenverein.

  • F
    FranKee

    Also Jungs, mal ganz grosse Betonung auf "Versuch"!

     

    Ausgerechnet in der Partei, wo doch ziemlich viele Anonymous/Vendetta/Guy Fawkes-Masken im Kleiderschrank haben, und mauscheln transparenzbedingt ziemlich unmöglich ist, dürfte das ziemlich schwierig werden...

     

    Apropos Scientology und Mauscheln: Dürfte ich dieser Stelle an die diplomatischen Depeschen auf WikiLeaks bzgl. dem Hamburger "Christdemokraten" und Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) und seine Gespräche mit dem Amerikanischen Konsulat zum Themenkreis "Scientology","ernsthaft bekämpfen" und "nach der Wahl ist das eh durch" erinnern?

     

    Ich setze jetzt mal keinen Link, sonst zensiert ihr das eh...

     

    Fakt ist: Andere Parteien haben bereits nachweislich Einflussnahmen diskutiert bis geduldet, die Piratenpartei dagegen riskiert Kopf und Kragen derartige Files (WikiLeaks) im "Rechtsstaat Deutschland" zu hosten...

  • A
    Augenreiber

    Nur über Scientologen? Also mir fallen da spontan noch ein paar ander merkwürdige Gruppen ein...