■ Schwulenverband wirbt gemeinsam mit West: Rauchende Cocks
Berlin (taz) – Die Zigarettenmarke West hat sich ganz auf die Homos geworfen: Von Kiel bis Berchtesgaden beispielsweise wollte West in diesem Jahr die Termine der Lesben- und Schwulendemos in Hamburg, Berlin, Köln und Frankfurt auf Großplakaten verkünden. „Angedacht“ gewesen sei diese Aktion, so heißt es in der PR-Abteilung von West, doch dann habe man sich entschieden, die Termine samt West-Werbung im Internet zu publizieren. Ob aus Kosten- oder anderen Gründen, dazu hält man sich bei Reemtsma bedeckt.
Auf ihrer Homepage listet West nicht nur die Lesben- und Schwulendemos auf, sondern „empfiehlt“ auch Partys und Veranstaltungen. Wer sich bilden will, kann auch Stichworte wie „Rainbow flag“ anklicken.
Doch damit nicht genug: Dem Schwulenverband in Deutschland (SVD), der in Köln und Berlin Mitveranstalter des Christopher Street Day ist, hat West von März bis Juli eine PR-Kraft zur Seite gestellt. Zwei Tage in der Woche half diese, ein Öffentlichkeitskonzept für den CSD auszuarbeiten. In Köln und Berlin sponsort West einen „Gay and Grey“-Demo-Wagen, der ältere Lesben und Schwule sichtbar machen soll.
Für die Junghomos wartet West schließlich mit einer blöden Foto- Lovestory („Loved by West“) auf, die als geradezu schwulenfeindlich bezeichnet werden muß. Auf dem Titelbild räkeln sich zwei Muskelmänner im Bett, einer reicht dem anderen eine Fluppe.
Die Fotostory beginnt und endet schlicht: Robbie sitzt am Tresen und entdeckt seinen „Prinz“ fürs Wochenende. „Hier, magst du 'ne Starke?“ – „Gerne, West ist einfach meine Marke!“ antwortet der andere, der sich als Paul vorstellt. Dann meint Robbie: „Ganz ehrlich, ich war noch nie so glücklich, jemandem eine Zigarette anbieten zu können.“ Sie landen natürlich im Bett: „Mit dir hier zu liegen und die West danach – mehr brauch ich nicht.“
West weiß eben, was Homos glücklich macht. Auf der letzten Seite der handlichen Broschüre ist eine Beitrittskarte für den SVD abgedruckt. „Unsere Bürgerrechtsbewegung braucht jeden Mann“, heißt es da, als gelte es, eine Schlacht zu schlagen. Und die Gegenleistung für das Werbematerial? „Der SVD schafft den Resonanzboden für die Werbung“, gibt SVD-Mann Günther Dworek unumwunden zu.
Die Zigarettenmarke, die 1993 ein schwules Hochzeitspaar auf Werbeplakaten abbildete und in diesem Jahr auch einen Literaturwettbewerb für ältere Lesben und Schwule ausschrieb, will „sich solange engagieren, bis Homosexuelle nicht mehr so sehr als Randgruppe wahrgenommen werden“, sagt Brigitte Niemann von der West-PR. Konsumenten identifizieren sich eher mit einem Produkt, das sich mit ihnen selbst identifiziert, so ihr Kalkül. Die Umarmungsstrategie von West ist in der Szene allerdings nicht unumstritten. „Wir danken alle dem Tabakmulti West, der uns so lieb hat“, spotten Berliner Kritiker, die die Kommerzialisierung der CSD-Demonstration ablehnen. Beim SVD hat die Partnerschaft indessen zu Identitätsverwirrung geführt. Neuerdings verkündet der Realo-Verband: „Wir sind die Marktführer in Sachen Schwulenpolitik.“ Dorothee Winden
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