piwik no script img

Schwulen- und Lesbenparade in TschechienPräsident attackiert Homosexuelle

Präsident Vaclav Klaus und Vizekanzler Hajek kritisieren das Gay-Pride Festival. Homos seien abnorme Mitbürger. Auch Prags Oberbürgermeister wird angegriffen.

Homo-Parade in Amsterdam. Aufregung wie in Tschechien bietet sie schon lange nicht mehr. Bild: dapd

PRAG taz | Mit einem Karnevalsumzug erreicht heute das fünftägige Gay-Pride Festival Prague Prides einen Höhepunkt. Doch was im liberalen Prag als buntes Sommerfest gedacht war, ist inzwischen ein Politikum geworden.

Denn hoch über der Moldau, auf der Prager Burg, beobachtet man mit Argwohn das Treiben in der Altstadt. Dem hat Prags Oberbürgermeister Bohuslav Sobotka seine Schirmherrschaft zugesagt. Und damit den Burgherrn Vaclav Klaus und dessen Hofnarren, Vizekanzler Petr Hajek, erzürnt. Die Gay-Parade, so Hajek - der bezweifelt, dass es Osama bin Laden wirklich gab und die Darwinsche Evolutionstheorie ablehnt -, sei eine ernste politische Demonstration eines bestimmten Weltbilds.

In seiner Welt ist es inakzeptabel, dass OB Sobotka als Mitglied der konservativen Bürgerpartei (ODS) das Festival unterstützt. Homosexuelle seien "abnorme Mitbürger, die in der Zerstörung der Gesellschaft einen heiligen Fortschritt sehen", wie Hajek erklärte.

Das Festival, Prague Pride, das unter anderem auch von der deutschen Botschaft in Prag unterstützt wird, sei nichts weiter als eine Manifestation des Homosexualismus, erklärte Präsident Vaclav Klaus, über dessen sexuelle Orientierung in Tschechien schon seit Jahren spekuliert wird. "Vor Homosexualismus fürchte ich mich genauso wie vor anderen modernen Ismen", erklärte Klaus.

Seine Kritik bezieht sich vor allem auf OB Sobotka, Mitglied der konservativen ODS, die Klaus gründete, inzwischen aber verlassen hat. "Wer, wenn nicht die ODS soll weiter konservative Werte vertreten? Wir schaffen nur Platz für irgendeine extreme Rechte, die sich dann dieser Werte annimmt", sagte Klaus.

Die extreme Rechte hat allerdings die von der Prager Burg losgetretene Diskussion um "Prague Pride" auf den Plan gerufen. Da seit Tagen in den tschechischen Medien über das Thema diskutiert wird, witterte die rechtsextreme "Arbeiterpartei der sozialen Gerechtigkeit" eine Chance zum Rattenfang und meldete eine Gegendemonstration zum heutigen Gay-Pride-March an, den sie "Marsch für die Familie" nennt.

Die Mehrheit der Prager nimmt die Diskussion mit Humor. Für heute wurden spontane Aktionen, wie "umarme deinen abnormen Mitbürger", angekündigt. Dank der PR von Klaus und Hajek rechnen die Veranstalter mit 7.000 anstelle der ursprünglich erwarteten 1.500 Teilnehmer.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • V
    Valle

    Ich hatte Gelegenheit die Pride in Prague zu besuchen und war sehr erfreut so viele Unterstützer auf den Straßen zu sehen.

    Gut möglich, dass viele erst durch die beleidigenden Worte des Regierungssprechers Petr Hájek und die anschließende Diskussion eine Notwendigkeit gesehen haben am Umzug teilzunehmen.

    Diese Äußerungen sollten jedoch kein falsches Bild auf die Situation der Homosexuellen in Tschechien und die Haltung der Bevölkerung zu diesem Thema werfen.

    Eine ähnliche Situation hatte man zum Beispiel in Baden-Württemberg, als Ministerpräsident Mappus den Sozialminister Andreas Renner dafür kritisierte die Schirmherrschaft des Stuttgarter CSD zu übernehmen. Dabei fiel aber das Wort "abstoßend", dass sich nun beim besten Willen nicht als neutral gemeint verstehen lässt. (“der CSD versucht auf abstoßende Art und Weise eine Woche lang Veranstaltungen durchzubringen, die wir ablehnen.”)

    Moralische Überlegenheit gegenüber den Tschechen zu demonstrieren stünde uns bei diesem Vergleich wohl schlecht an ;)

     

    In Ostmitteleuropa ist Tschechien nämlich mit Sicherheit das toleranteste Land hinsichtlich der Anerkennung von Homosexuellen in der Gesellschaft.

    Auf der homepage der Organisatoren (www.praguepride.cz) wird die Tatsache, dass es in Prag noch nie eine solche Parade gegeben hat mit den Worten kommentiert , dass "das Leben der Minderheiten in Prag stets einfacherer war als in kleineren Städten oder auf dem Land. Queer-Pride-Umzüge wurden in der Vergangenheit vor allem als Protest gegen Intoleranz und als Kampf für Minderheitenrechte veranstaltet. Einen solchen Protest hat Prag am ehesten nie gebraucht."

    Ich habe in einer solchen kleineren Stadt (rund 40 Tausend Einwohner) gelebt und selbst dort, gab es alle paar Monate eine Travestieshow im örtlichen Kulturhaus. Man stelle sich das mal in Deutschland vor.

     

    Und tatsächlich war nur ein sehr kleines Aufgebot an Gegendemonstranten von Seiten der rechtsradikalen "delnicka strana" und der katholischen Partei KSCM an den Straßenrändern versammelt.

    Besonders die Bemühungen der katholischen Gegendemonstranten den Marsch als gegen die traditionelle Familie gerichtete Veranstaltung zu brandmarken wirkte lächerlich angesichts der vielen Kinderwägen und Heterosexuellen Pärchen, die den bunten Umzug begleiteten.

     

    Ich habe oft das Gefühl, dass die üblichen CSD-Feiern oder Pride-Umzüge wenig zu mehr Akzeptanz beitragen und stattdessen eher das Klischee verbreiten, Homosexuelle wären a priori oberflächlich und partyverliebt.

    Ich hoffe deshalb, dass die Prager in Zukunft ihre ausgewogene Mischung von Vortragsreihen, Ausstellungen, Workshops, Konzerten und Partys im Rahmen der einwöchigen Veranstaltungsreihe beibehalten. Der Umzug an sich ist sicherlich eine gute Möglichkeit die Öffentlichkeit mit der Existenz von nicht-heteronormativen Formen des Zusammenlebens (erscheint mir etwas differenzierter als "abartig")zu konfrontieren, allerdings sollte er meiner Meinug nach nicht dem Trend der westeuropäischen Umzüge folgend mit viel nackter Haut provozieren, sondern stattdessen politische Forderungen mit Witz und Humor vereinen, um die mehrheitlich toleranten und freiheitsliebenden Prager für sich zu gewinnen.

     

    Dann wird es der Bürgermeister des Prager Stadtteils I. mit dem schönen Namen Svoboda (zu dt. "Freiheit") sicher einfacher haben, mit Unterstützung seiner Partei die Schirmherrschaft der Parade zu übernehmen.

  • G
    Gottfried

    Glücklicherweise erklärte Präsident Klaus, die Klassifizierung von Homosexuellen als 'abartig' durch Hajek sei 'wertneutral', somit keine Beleidigung. Eine Gelegenheit, den Herrschaften wertneutral ohne jede Beleidigung zu attestieren, dass sie abartig an die Traditionen des NS-Staates anknüpfen, die Ermordung von 50.000 Homosexuellen. Hajek ist übrigens problemlos im Internet zu finden und freut sich bestimmt über jede Mail.

  • S
    swilly

    Herr Mostyn, der Oberbürgermeister von Prag heißt Bohuslav Svoboda und nicht Sobotka.

     

    Zumindest steht das hier so:

     

    http://www.novinky.cz/domaci/241713-zbytecny-humbuk-mini-ods-o-sporu-svobody-s-hradem.html?ref=stalo-se

  • T
    T.V.

    Ohje, daß sich da die Prager beim Umarmen dieser "Abnormen" mal nicht mit dem Virus Homosexualität infizieren. *grusel*