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Schwule und Lesben nicht gleichberechtigtChristlich homophob

In diesen Wochen feiern Homosexuelle den Christopher Street Day - aber noch fehlt es an Gleichberechtigung. Wäre eine Grundgesetzänderung nützlich?

Nicht nur Heterosexuelle tragen Pärchenlook. Bild: dpa

Im Jahr 2002 sprach das Bundesverfassungsgericht sein Urteil über das Gesetz zu eingetragenen Lebenspartnerschaften. Es lautete: Keineswegs untergrabe das zivilrechtliche Institut für homosexuelle Paare die Ordnung des Grundgesetzes, auch nicht seinen Artikel 6, der Ehe und Familie unter besonderen Schutz stelle. Und: Wenn der Gesetzgeber das wolle, könne er Partnerschaften Homosexueller auch Ehen nennen und diese vollständig der klassischen (heterosexuellen) Ehe gleichstellen.

Dass die eingetragene Lebenspartnerschaft trotz mannigfaltiger Rechte, die sie gewährte, eine minderprivilegierte Form des Zusammenlebens bleiben soll, ist der Union geschuldet, und zwar nur ihr. Wie Bundesjustizministerin Brigitte Zypries gestern sagte, stehen CDU wie CSU stramm zum Kurs heterosexueller Privilegierung: "Alle Vorhaben, die auch nur den Hauch einer Besserstellung oder gar einer Gleichstellung bedeuten, hat die Union blockiert. Das ist schon fast reflexhaft."

Genauer gesagt: Homosexuelle Lebenspartner müssen füreinander alle Pflichten übernehmen, finanzielle vor allem - aber steuerrechtliche Ausgleiche sind ausdrücklich untersagt. Klassische Ehepartner können in den Genuss des Ehegattensplittings kommen - unabhängig davon, ob sie Kinder haben. Und das ist nichts anderes als eine christliche Politik, die das Paarungsverhalten gemischtgeschlechtlicher Kombinationen gut heißt, das gleichgeschlechtliche hingegen als minder entwertet. Heterosexualität als solche wird für erstrebenswert gehalten, Homosexualität, ließe sich anfügen, muss niederrangig bleiben. Schwule und Lesben dürfen dieser politisch durchaus gelebten Logik zufolge schon froh sein, nicht wie bis 1969 als solche als gefängnisträchtige Delinquenten zu gelten.

Nach dem Karlsruher Spruch von 2002 nämlich haben Gerichte unterhalb der Verfassungsebene eben jene Lesart der Konservativen blank übernommen: Alle Gleichstellungsmühen, beim Beamtenbesoldungsgesetz zum Beispiel auf Bundesebene, wurden juristisch verworfen, stets mit der ideologisch aufgeladenen Begründung, wenn der Gesetzgeber eine Gleichstellung wolle, könne er dies beschließen, aber wenn nicht, könnten eben die Gerichte nach dem eigenem Schlechtdünken befinden.

Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) hatte diese chronisch christlich-konservative Spruchpraxis satt - und verlegte sich auf eine Kampagne, die in diesen Tagen und Wochen auf allen Christopher-Street-Paraden artikuliert wird: Artikel 3 des Grundgesetzes solle ergänzend (kursiv hervorgehoben) geändert werden: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seiner sexuellen Identität, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden."

Mit grundgesetzlichem Schutz seien heteroideologische Urteilssprüche nicht mehr möglich. Für dieses Projekt haben sich längst Berlins Regierungschef Klaus Wowereit (SPD), Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), die Parteien Bündnis 90/Die Grünen, die Linken zusammengeschlossen - FDP und Union nicht. Das Argument der Liberalen lautet, der Schutz Homosexueller sei im Grundgesetz längst geborgen, die Union findet, dass die Nichtheterosexuellen ohnehin nicht mehr verdienen als das, was sie jetzt haben. Der liberale Hinweis aber lügt und ist unhistorisch: Denn das Grundgesetz war keineswegs so lebensstilneutral, wie die Gelben (und die liberalen Schwarzen) jetzt tun. Mit dem Hinweis auf die Verletzung des Sittengesetzes verwehrte das Bundesverfassungsgericht homosexuellen NS-Opfern jede Entschädigung und billigte obendrein, dass bis 1969 die Nazifassung des Paragrafen 175 in Kraft blieb - und zwar nicht nur auf dem Papier.

Ob die Forderung nach Ergänzung des Grundgesetzes utopisch ist, muss offen bleiben. Anfang der Neunzigerjahre forderten Homoverbände erstmals die Homoehe und wurden quasi ausgelacht, von den meisten Parteien, von vielen Schwulen und Lesben selbst. Im Jahr 2001 wurde die Forderung Wahrheit.

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9 Kommentare

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  • DB
    D. Borrmann

    An Herrn Scheier (Vorkommentar).

     

    Es gibt einen alten Rechtsgrundsatz. Der Lautet: Es gibt keine Gleichheit im Unrecht.

     

    Daher kommt die Forderung: Entweder gleiches Recht für alle oder Abschaffung des entsprechenden Rechtes.

     

    Ich fordere: Gleiches Recht für alle.

     

    Und noch etwas: Strikt weigert sich der Gesetzgeber auch, Mehrpersonen-Ehen/-Partnerschaften anzuerkennen. Auch das ist eine echte Benachteiligung. Warum sollen sich nicht auch drei oder gar mehr Menschen zusammentun und ganz unabhängig von Geschlecht und sexueller Orientierung?

     

    Dass die CDU/CSU und die meisten, christlichen Kirchen und noch schlimmer die meisten islamischen Gruppen homophob sind, ist ja altbekannt und von gewisser Widerwärtigkeit. Das muss für Ole von Beust oder die Leute in der LSU ja auch sehr schmerzhaft sein. Aber vielleicht ist auch da Lust dabei (maso).

     

    Leider kommt man ja um die genannten Gruppen nicht herum, muss mit ihnen oder besser an ihnen vorbei leben oder auswandern (Skandinavien, die Niederlande, Spanien, Südafrika etc. sind ja erheblich weiter als Deutschland).

  • T
    thomsen

    1.) "homophob" ist nicht nur "christlich", sondern auch "orthodox-jüdisch" und vor allem "muslimisch". Warum wird in diesem Zusammenhang immer auf die Christen eingeprügelt, die doch inzwischen in dieser Angelegenheit weit toleranter als die o.a. anderen Religionsgemeinschaften sind?

     

    2.) "Sexuelle Identität" ist so ein spezifisches Konzept - "sexuelle Orientiertung" scheint mir doch sachlicher. Übrigens würden natürlich doch alle möglichen Einschränkungen erfolgen müssen: wenn man ein wenig nachdenkt, wird man feststellen, daß nicht jede sexuelle Orientierung Grundgesetz-Schutz beanspruchen können wird. Wir brauchten also einen Zusatz wie z.B.: "das Nähere wird durch Gesetz geregelt", damit nicht den abstrusesten Klagen Tür und Tor geöffnet wird.

     

    3.) Der "Schutz von Ehe und Familie" ist vernünftig und richtig, wenn man denn überhaupt am Fortbestehen dieser Gesellschaft interessiert ist - da hilft alles Gequake angeblich Benachteiligter nichts. Was das fürs Steuerrecht bedeutet, darüber kann man reden.

     

    Die Ehe ist doch keine mythische Angelegenheit, sondern eine gesellschaftliche Institution vor allem zum Schutze der Nachkommenschaft. Dieselben Leute, die bereit sind, Arbeits-, Miet- und Kaufverträge abzuschließen ohne mit der Wimper zu zucken, und dabei ganz selbstverständlich Schutz und Rechte in Anspruch nehmen und resultierende Pflichten akzeptieren, machen Wunder was für ein Theater, wenn es um grundlegende Angelegenheiten der Lebensführung geht.

     

    Wer eine vertraglich geschützte Familie gründen will, der schließt einen Ehevertrag, wers nicht will, läßts eben bleiben. Dasselbe gilt für eingetragene Lebenspartnerschaften. Das hat mit Gleichstellung nicht viel zu tun.

    Über die Gestaltung der einzelnen Rechte und Pflichten kann man selbstverständlich diskutieren.

  • H
    Hartmut

    Ich gebe meinem Vorkommentator durchaus Recht. Und der LSVD hat sich auch nicht gerade mit Kampfesmut hervorgetan, als es um die Entschädigungen für den §175 ging.

     

    Die Gesetze müssen den tatsächlichen familiären Bedingungen in diesem Land angepasst werden. Die Politik rennt, wie so oft, den Realitäten hinterher. Ich verstehe eben auch nicht, wieso, heterosexuelle unverheiratete Paare mit Kindern schlechter gestellt werden sollen als verheiratete. Und wieso diese Paare das nicht aufregt. Wieso alle wieder heiraten, weil sie die Vorteile nutzen wollen, anstelle eine gesellschaftliche bzw. gesetzliche Änderung zu fordern. Wie viele Paare kenne ich die seit Ewigkeiten ohne Trauschein zusammenleben und erst heiraten, als Kinder unterwegs sind. Absurd.

     

    Ich war lange Zeit gegen die Homoehe. Eben aus diesen Gründen. Weil mir der Pacs civile in Frankreich viel sinnvoller erscheint. Aber mittlerweile denke ich da etwas anders. Denn wieso sollte man Schwulen nicht dasselbe Recht zugestehen, einer überkommenen Gesellschaftsform nachzuhängen, auch wenn es dumm ist. Zudem gibt es eine Menge eher konservative Schwule, denen das viel bedeuten würde und auch sehr viele, die es aus romantischen Gründen wollen.

    Deshalb - meinen Segen haben sie. Es ist auch nicht die alleinige Aufgabe der Schwulen die Gesellschaft zu verändern.

     

    Eine Grundgesetzänderung fände ich super. Das hätte Signalwirkung und würde meines Erachtens mehr bringen, als irgendwelche Antidiskriminierungsgesetze, die in der Praxis nicht viel bringen.

     

    Doch ich glaube, dazu wird es nicht kommen. Wie im Artikel erwähnt müssten dann die fälligen Entschädigungen bezahlt werden. Und das nicht zu knapp. Denn die Zahl der Verurteilten nach dem §175 nach dem Naziterror ist nahezu genauso groß. Schwule standen nicht selten dabei vor denselben Richtern, die sie zu Hitlers Zeiten schon verurteilt hatten. Aber auch die Nachfolgegeneration traf es. Und die lebt noch und könnte Entschädigung fordern.

     

    Es überrascht mich immer noch, dass der LSVD an dieser Front nicht weiterkämpft.

     

    Trotzdem unterstütze ich die Forderung des LSVD dieses Jahr. Nur fürchte ich, wird diese Forderung in Technoklängen, Prosecco und Niveapröbchen ertränkt werden. Denn wie sagte mal ein heterosexueller Freund zu mir:

    Der CSD ist die bessere Love Parade

  • CM
    Carsten Meyer

    @michael scheier

    Ich kann mich nur anschließen, warum werden bestimmte Lebensgemeinschaften steuerlich bevorzugt, andere nicht? Heterosexuelle Paare die sich nicht "trauen" werden auch steuerlich auch nicht bevorzugt. Die steuerliche Bevorzugung entspringt einem ursprünglich patriachalischen Denken: der Ernäher muss steuerlich entlastet werden, damit das Frauchen zu Hause bleiben kann.

    Es wäre sicherlich sinnvoll alle Menschen die Kinder haben steuerlich zu entlasten - unabhängig zu welcher sexuellen Orientierung sie tendieren.

  • JW
    Johannes W

    Meine Idee

     

    Das Ehegattensplitting muss weg!

     

    Dafür gäbe es dann 2 Möglichkeiten für Familien mit Kindern, denn nur davon hat der Staat was, von Pärchen ob homo oder hetero hat er nichts.

     

    Möglichkeit 1: Kindergeld gewaltig erhöhen

     

    Möglichkeit 2: Bei einem Kind 30% Steuer auf das Familieneinkommen, bei 2 Kindern 15% und ab 3 Kindern 0%. Progression noch mit rein, damit die Millionärsfamile meinetwegen 5 Kinder braucht um Steuerfreiheit zu genießen.

    Für Alleinerziehende ohne Unterstützungszahlung vom Expartner oder bei Paare, die in Scheidung leben braucht der Partner, der das Kind hat keine Steuern zu zahlen, ausser es wird Unterhalt gezahlt, dann können beide je nach Anzahl der Kinder besteuert werden.

     

    Es ist der Kreativität doch keine Grenze gesetzt und es muss doch nicht alles darauf herauslaufen Homosexuelle zu benachteiligen gegenüber kinderlosen Paaren. Dass eine Familie mit Kindern dann natürlich Geld braucht, das leuchtet doch jedem Homosexuellen auch ein, da brauchts keine christliche "Maßregelung" der Homosexuellen von Seiten der CDU.

  • D
    denninger

    Die Verankerung der sexuellen Orientierung in der Verfassung ist möglich, die sexuelle Identität hingegen ist schwerlich im allgemeinen ein zu schützendes Menschenrecht.

    Wie sollte zum Beispiel die Objektsexualität von Eija-Riitta Eklöf Berliner-Mauer gewahrt werden?

    Immerhin wurde ihr "Ehegatte" zerstört.

    Und kann ein lediger Asexueller dann sein verfassungsmässiges Recht auf Ehegattensplitting durchsetzen?

    Die sexuelle Identität ist mehr als nur das Geschlecht des Sexualpartners.

    Das sollte der LSVD eigentlich wissen.

  • L
    Lydia

    Ich habe nicht gewusst, dass bei uns immer noch homosexuelle Menschen so gemein behandelt werden. Als ich das gelesen habe, habe ich geweint.

  • N
    Normalo

    Der geforderte Zusatz im Art. 3 wäre nur mal wieder ein weiteres Beispiel für Emo-Legislative. Juristisch wäre er wertlos, solange "Ehe" von Politik und Gerichten als eine heterosexuelle Lebensgemeinschaft verstanden wird. Solange nämlich steht die Privilegierung der Ehe genauso im Grundgesetz wie jede noch so umfassende Gleichheits-Checkliste und geht dieser als Spezialregelung vor.

     

    Auch wenn es Allen, die die ideologische Bevorzugung der heterosexuellen Beziehung ablehnen, nicht gefallen mag: Die diversen Richter haben schon Recht. Hinter der Differenzierung zwischen ELG und Ehe steht eine politische Grundeinstellung des Gesetzgebers, die die Gerichte zu beachten haben.

     

    Genau für die Durchsetzung politischer Grundeinstellungen ist nämlich der Gesetzgeber demokratisch legitimiert. Könnte man Alles über ein egalitäres Menschenbild und ein gesundes Gerechtigkeitsempfinden regeln, bräuchten wir keine Demokratie.

     

    Preisfrage:

    Warum wählt sich eine relative Mehrheit der Menschen eine Volksvertretung mit so einer altmodischen politischen Grundeinstellung?

  • MS
    michael scheier

    Lieber Herr Feddersen,

     

    als Schwuler fordere ich Gleichberechtigung, na klar. Aber nicht Gleich-Beunrechtigung. Und nichts anderes stellt für mich die Forderung von Schwulenorganisationen wie dem LSVD nach "Gleichberechtigung" beim Ehegatten-Splitting dar. Warum sollen Ehepaare, ob homo- hetero- oder weiß-der-Kuckuck-was-für-sexuell, beim Steuerrecht überhaupt bevorzugt werden? Das einzige Argument, Paare - ob verheirat oder nicht - zu bevorzugen, ist der Unterhalt von Kindern. Und den sollte man nun wirklich nicht von der von den Eltern bevorzugten Sexualpraxis abhängig machen.