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Archiv-Artikel

nebensachen aus manila Schwitzen im Akkord oder Tropenparadies mit Schattenseiten

Meckern übers Wetter bringt auf den Philippinen nichts, es ist einfach immer heiß oder schwül. Im Reiseführer stand, der Rizal-Park sei die grüne Lunge Manilas. Wo also startet der Auswanderer auf Zeit am ersten Tag seine Erkundung der philippinischen Hauptstadt besser als dort? Was nicht im Reiseführer stand: Wirklich grün ist der Park nur während und kurz nach der Regenzeit.

Unser Leben in Südostasien aber begann Ende März, wenn die heiße Phase der Trockenzeit auf dem Siedepunkt ist. Tagsüber krallt sich das Thermometer dann oberhalb der 35-Grad-Marke fest, nachts fällt es kaum unter 30 Grad. Vom Jetlag gebeutelt, mit einem Kleinkind im Kinderwagen trotteten wir entlang staubbraun versengter Grasflächen, ab und zu ein wüstenheißer Lufthauch. Unsere Entdeckungstour endete rasch mit einer Flucht ins klimatisierte Hotel.

Mabuhay, Willkommen auf den Philippinen! Ein ökologischer Garten Eden, ein Inselparadies mit ungezählten Küstenkilometern, Traumziel für Taucher – es könnte so schön sein, wenn nur das verflixte tropische Klima nicht wäre. Von Februar bis in den Juni ist es heiß, heiß, heiß. Mitte Juni beginnt die Regenzeit und damit steigt die Luftfeuchtigkeit auf das Niveau eines Dampfbades. Selbst im Sitzen klebt das schweißnasse Shirt bald am Körper. Lediglich Moskitos mögen dieses Wetter, regelmäßig rafft das von ihnen übertragene Denguefieber in der Regenzeit hunderte Menschen hin.

Doch das Wetterpendel kann noch weiter ausschlagen: Zwischen Juni und November toben mehr als 20 Taifune über den Inselstaat hinweg. Die Zerstörungswut dieser Tropenstürme ist gewaltig. Windgeschwindigkeiten bis zu Tempo 200 und tosende Regenmassen fegen ganze Dörfer weg. Im Oktober 2006 erwischte es die eigentlich abseits der üblichen Taifunroute liegende Hauptstadt. Die entfesselte Naturgewalt mit dem harmlosen Namen „Millenyo“ hinterließ ein Chaos: hunderttausende beschädigte Häuser und unbefahrbare Straßen. Die Strom- und Wasserversorgung waren für Wochen unterbrochen.

Zurück zum Alltag: Heiß oder schwül eben. Die Filipinos haben ihre Art, mit dem Klima umzugehen. Vor allem schalten sie, so oft es geht, in den Leerlauf. Will heißen, sie machen ein Nickerchen, wo auch immer und so lange es geht. Setzen sie sich in Bewegung, reicht der erste Gang. Langsam gehen, Kräfte schonen, wenig schwitzen, so die Devise. Außerdem sind sie nie ohne Regenschirm unterwegs: entweder gegen die gnadenlose Sonne oder den sintflutartigen Regen.

Auch die Mahlzeiten sind den Temperaturen angepasst. Es gibt grundsätzlich morgens, mittags und abends Reis mit irgendwas, ein warmes Gericht also. Warm meint aber höchstens lauwarm, denn ein Teller mit dampfendem Essen bedeutet nur zusätzliche Schweißausbrüche. Und im Wasserglas klimpern immer möglichst viele Eiswürfel.

Da eine Klimaanlage für die meisten Filipinos unerschwinglich ist, hält es sie in der Freizeit kaum zu Hause. Mit größtem Vergnügen streifen Familienclans stundenlang durch bestens gekühlte Einkaufszentren, die Wellnessoasen des kleinen Mannes.

Zugegeben, es gibt auch angenehme Monate. Im Dezember und Januar herrscht nach deutschem Ermessen moderates Hochsommerwetter. Aber ganz ehrlich, in der Adventszeit befällt mich immer dieser Tagtraum vom Weihnachtsmarkt zu Hause. Von feuchtkalten Tagen, an denen man mit klammen Fingern einen Becher dampfenden Glühwein festhält – einfach herrlich!

Sollten Sie also mal wieder übers Wetter in Deutschland meckern, denken Sie einfach daran, dass auch ein Tropenparadies seine Schattenseiten hat.

HILJA MÜLLER