Schwimm-WM in Erklärungsnot: Schon 22 Weltrekorde
Kaum schwimmt Daniela Samulski einen neuen 50m-Rücken-Rekord, übertrifft ihre Konkurrentin Anastasia Zuewa sie im 2. Halbfinale. Auch Phelps schwimmt wieder in Rekordzeit. Ist das nur der Anzug?
ROM dpa | Deutschlands Schwimmer sorgen bei den Weltmeisterschaften in Rom weiter für Aufsehen. Die Essenerin Daniela Samulski legte am Mittwoch im Halbfinale über 50 Meter Rücken in 27,38 Sekunden einen Weltrekord vor – und verlor ihre Bestzeit nur eine Minute später an die Russin Anastasia Zuewa, die noch 1/100 Sekunde schneller war.
Samulski kündigte für das Finale an diesem Donnerstag Revanche an: "Dann muss ich ihn mir wohl zurückholen." Die Rekordflut und mangelnde Doping-Kontrollen bei der WM haben indes den Weltverband in Erklärungsnot gebracht.
Sieben Weltrekorde am Mittwoch erhöhten die Zahl der Weltbestzeiten zur WM-Halbzeit bereits auf 22. Vor zwei Jahren in Melbourne waren es am Ende nur 15. Mit zweimal Gold und zweimal Silber hat das deutsche Team die Vorgabe schon erfüllt. Dabei startet Doppel-Olympiasiegerin Britta Steffen erst an diesem Donnerstag in ihre Einzel-Rennen. "Wir sind in der Weltspitze zurück", erklärt Bundestrainer Dirk Lange nicht ohne Stolz.
"Ich bin froh, mit persönlicher Bestzeit im Finale zu sein", sagte Samulski nach ihrem Rekord-Krimi im Halbfinale, "im Finale werden die Karten neu gemischt". Silber zum Auftakt mit der Staffel hatte Samulskis Selbstbewusstsein gestärkt. "Mit einer Medaille im Gepäck schwimmt es sich leichter."
Hendrik Feldwehr fehlte über 50 Meter Brust mit 26,95 Sekunden nur 1/10 Sekunde zu Bronze. "Ich ärgere mich ein bisschen, mit der Zeit von gestern wäre ich Dritter geworden", sagte der Essener, der im Halbfinale Europarekord geschwommen war. "Ich denke, morgen kann ich mich über den vierten Platz freuen." Gewinner war der Südafrikaners Cameron van der Burgh in 26,67 Sekunden – das war, na klar, Weltrekord.
Yannick Lebherz (Darmstadt) verfehlte über 200 Meter Lagen nach deutscher Bestmarke (1:58,94) im Vorlauf als Halbfinal-13. den Endlauf. Bitter enttäuscht war der Hamburger Steffen Deibler, der als 22. über 100 Meter Freistil schon im Vorlauf scheiterte.
Michael Phelps meldete sich einen Tag nach der bitteren Niederlage gegen Paul Biedermann über 200 Meter Freistil als Sieger über 200 Meter Schmetterling zurück. In Weltrekordzeit: In 1:51,51 Minuten ließ der 14-malige Olympiasieger aus den USA der Konkurrenz in langer Hose nicht die Spur einer Chance.
Federica Pellegrini verzückte Italiens Schwimm-Fans über 200 Meter Freistil mit ihrer zweiten Gold-Medaille und schlug in 1:52,98 Minuten wie schon am Vortag mit Weltrekord an. Die Amerikanerin Mary Descenza schwamm in 2:04,14 Minuten schon im Vorlauf über 200 Meter Schmetterling Weltrekord. Über 800 Meter Freistil siegte der Chinese Zhang Lin mit Weltrekord in 7:32,12 Minuten.
Die FINA ist beim Anti-Doping-Kampf unter Druck geraten. Offensichtlich werden in Rom nur Urin-Tests, aber keine Blutproben vorgenommen. "Wenn das so stimmt, dann muss man sagen, dass dies nicht den heutigen Anforderungen an Dopingtests entspricht", sagte der Nürnberger Pharmakologe und Doping-Experte Professor Fritz Sörgel, "da muss man ja schon fast den Radsport loben."
Sörgel machte deutlich: "Ohne Bluttest sind die populärsten Doping-Formen wie Eigenblutdoping und EPO-Doping nicht zu erfassen." Doppel-Weltmeister Paul Biedermann warnte vor Pauschalverdächtigungen und Bundestrainer Lange nahm die FINA in die Pflicht: "Wir wollen nichts schönreden und gerade deshalb brauchen wir Glaubwürdigkeit bei den Kontrollen. Dem Sportler kann man nichts vorwerfen, aber der Weltverband muss handeln."
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