: Schwerelos
■ Raumfahrer ehren sich mit Auszeichnung an Genscher
„Astronautenähnlich“ habe der Geehrte stets um die Entwicklung eines weltweiten Verantwortungsbewußtseins gerungen, „Risiken nicht scheuend, rund um die Uhr, rund um den Erdball“. So sprach der deutsche Astronaut Ernst Messerschmid diese Woche in Berlin. Preisfrage: Wem galt die ungewöhnliche Huldigung? Richtig, Himmelsstürmer Hans-Dietrich Genscher, Daueraußenminister und nun endlich auch verdienter Träger des „Space Award“ der Raumfahrervereinigung „Association of Space Explorers“.
Der Mann, der (Herzattacken nicht scheuend) im Verlauf der vergangenen beiden Dekaden vermutlich mehr Erdumrundungen aufzubieten hat als die Mehrzahl der weltweit 259 Astro- und Kosmonauten, empfand die ungewöhnliche Auszeichnung artig „als Ehre“. Ein gewisses Unbehagen allerdings konnte der Preisträger kaum verbergen, als er zwischen Terminen in Brüssel und Washington zur Zeremonie im Grand Hotel Esplanade einschwebte. Jemand muß ihm geflüstert haben, daß die Raumfahrer ihre Auszeichnung alljährlich „für außergewöhnliche Verdienste bei der Eroberung des Weltalls“ vergeben. Genschman mit Raumschiff Enterprise schwerelos im All, fremde Galaxien unterwerfend? Lag da womöglich eine Verwechslung vor?
Wohl kaum, wie auch der Außenminister rasch erfahren konnte. Erster Träger des „Space Award“ und Vorgänger Genschers wurde 1985 der Franzose Jacques Cousteau, der die „Eroberung des Weltalls“ ebenfalls nicht zu seinen vorrangigen Leidenschaften zählt. (Für die Banausen unter uns: Cousteau ist der Welt bekannteste Meeresforscher.) Es gibt eben Auszeichnungen, die den Ausgezeichneten schmücken. Und es gibt Ausgezeichnete, mit denen sich die Auszeichner schmücken. Bei der Verleihung des „Space Award“ an „den mit den Sonnensegeln“ handelt es sich fraglos um einen Fall der zweiten Kategorie.
Zurück auf der Erdoberfläche sind auch Astronauten nur Menschen. Und so hatten sich die deutschen Organisatoren des alljährlichen „Welttreffens der Raumfahrer“ einiges einfallen lassen müssen, um ihrem Kameradschaftstreffen die gebührende Öffentlichkeit zu sichern. Genscher als Preisträger, Eduard Schewardnadse für die Laudatio, so war es gedacht. Doch — leider — der Coup gelang nur zur Hälfte. Schewardnadse blieb daheim, das Medienecho mäßig. Für den sowjetischen Ex-Außenminister sprang Rostislov Sergeev ein. Der war 1980-1990 sowjetischer Botschafter — in Mexiko. Genscher, souverän, ließ es sich nicht nehmen auf die tiefschürfenden Lobeshymnen Sergeevs — „Sie waren einer der ersten, der die Rolle der Raumfahrt als völkerverbindenden Faktor beschrieben hat“ — ebenfalls mit einer Laudatio zu antworten. Nicht auf die völkerverbindenden Astro- und Kosmonauten, sondern auf „meinen Freund“ Schewardnadse. Gerd Rosenkranz
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