Schwere Vorwürfe an Bush-Regierung: USA Steigbügelhalter von Hamas
Ungewollte Hilfe für die Hamas: Laut US-Magazin "Vanity Fair" soll die US-Regierung im Sommer 2007 den palästinensischen Bürgerkrieg ausgelöst haben.
KAIRO taz US-Außenministerin Condoleezza Rice ist in den Nahen Osten gekommen, um zu retten, was zu retten ist. Nach einer blutigen Woche im Gazastreifen versucht sie Israelis und Palästinenser wieder an den Verhandlungstisch zu bringen. Doch bereits auf ihrer ersten Station in Ägypten gerät sie selbst unter Beschuss. Journalisten fragen sie nach einem Bericht im US-Magazin Vanity Fair, den die oberste US-Diplomatin weder dementieren noch bestätigen wollte.
US-Außenministerin Condoleezza Rice will sich für eine rasche Wiederaufnahme der Friedensgespräche zwischen Palästinensern und Israelis einsetzen. Der Hamas dürfe es nicht gelingen, einen Frieden zu verhindert, sagte Rice gestern bei Gesprächen in Ägypten. Sie forderte keine Waffenruhe zwischen Hamas und Israel, verlangte jedoch einen Stopp der Gewalt. Später wollte sie weiter nach Israel reisen und auch mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas sprechen. Die israelischen Luftwaffe flog wieder Angriffe im Gazastreifen, aber Israel will sich nach eigenen Angaben für die Dauer des Rice-Besuchs zurückhalten. Unterdessen stieg die Zahl der Palästinenser, die seit dem vergangenen Mittwoch bei israelischen Militäroperationen im Gazastreifen ums Leben gekommen sind, auf 125. Das teilte die palästinensische Gesundheitsbehörde mit. Insgesamt seien 380 Menschen verletzt worden. Dies ist die höchste Opferzahl seit dem Sechstagekrieg von 1967.
Als "eine Mischung aus Iran-Contra-Affäre und gescheiterter Schweinebucht-Invasion auf Kuba 1961", beschreibt das Magazin eine verdeckte Operation der US-Regierung, durch die die gewählte Hamasregierung im Gazastreifen letzten Sommer habe gestürzt werden sollen. Stimmt der Bericht, dann ging der Schuss nach hinten los. Das Magazin behauptet, die geheime Operation habe den Bürgerkrieg ausgelöst, der dazu führte, dass Hamas den gesamten Gazastreifen militärisch und politisch übernommen hat.
Vanity Fair liegen nach eigenen Angaben geheime Dokumente vor, aus denen hervorgehe, dass US-Präsident George W. Bush einen Plan abgesegnet habe, der dann von Rice und dem Nationalen Sicherheitsberater Elliott Abrams weitergetragen worden sei. Nachdem die US-Regierung vom Wahlsieg der Hamas im Januar 2006 überrascht worden war, habe sie versucht, Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zunächst zu überzeugen, den Ausnahmezustand auszurufen und die Hamasregierung abzusetzen. Dann sollten mithilfe der arabischen Verbündeten Washingtons, allen voran Ägyptens, der Fatah-Sicherheitsapparat ausgerüstet und trainiert werden - mit dem Ziel, die Hamasregierung zu stürzen. Die Schlüsselrolle soll der Fatah-Sicherheitschef in Gaza, Mohammed Dahlan, gespielt haben. Über ihn habe US-Präsident Bush gesagt, "Dahlan ist unser Mann", schreibt das Magazin unter Berufung auf gleich drei nicht namentlich genannte US-Regierungsbeamte. Als Mittelsmänner werden der US-Generalkonsul in Jerusalem, Jake Walles, und der US-Sicherheitskoordinator für die Palästinenser, Keith Dayton, genannt. Teile des Planes sollen schon zuvor durchgesickert sein, etwa als eine israelische Zeitung im Juni letzten Jahres berichtet hatte, Abbas und Dayton hätten die israelische Regierung gebeten, eine ägyptische Waffenlieferung für Fatah mit dutzenden gepanzerten Fahrzeugen, hunderten panzerbrechenden Granaten, tausenden Handgranaten und mehreren Millionen Patronen zuzulassen, nur wenige Tage, bevor die neuen in Ägypten trainierten Fatah-Rekruten zurückkehrten.
Kurz darauf brach der Bürgerkrieg im Gazastreifen aus, der damit endete, dass Hamas in nur einer Woche die Kontrolle über den gesamten Gazastreifen gewann. "Für mich sieht das so aus, als ob das kein Staatsstreich von Hamas war, sondern ein Putsch von Fatah, der verhindert worden ist", erklärt der neokonservative ehemalige Nahostberater von US-Vizepräsident Dick Cheney, David Wurmser, gegenüber Vanity Fair und beschreibt, wie kontrovers der Plan innerhalb der US-Regierung diskutiert wurde. "Wir haben uns gegenseitig zerrissen", erinnert er sich. Wurmser hatte nur wenige Wochen nach der Machtübernahme von Hamas seinen Rücktritt eingereicht.
Rice antwortete in Kairo nur vage auf die Vorwürfe. "Wenn die Hamas vom Iran ausgerüstet wird und niemand hilft, die Fähigkeiten des Sicherheitsapparates der legitimen palästinensischen Regierung zu verbessern, dann ist das eine ungute Situation".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Frauenfeindlichkeit
Vor dem Familiengericht sind nicht alle gleich