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Schwere Bodenverseuchung in Spandau

■ Ein neues Gutachten beweist: Das Grundstück der Altöl-Firma SAG ist schwerer verseucht als angenommen / Die Bodensanierung kostet den Senat 15 bis 20 Millionen Mark / Trotz Gefahr für das Trinkwasser is

Schwere Bodenverseuchung in Spandau

Ein neues Gutachten beweist: Das Grundstück der Altöl-Firma SAG ist schwerer verseucht als angenommen / Die

Bodensanierung kostet den Senat 15 bis 20 Millionen Mark / Trotz Gefahr für das Trinkwasser ist eine Sanierung erst in einigen Jahren vorgesehen

Die Bodenverunreinigungen auf dem Grundstück der Altöl -Umschlagsfirma SAG Schüttler am Spandauer Südhafen sind weit schwerer als bisher vermutet. Diesen Schluß zieht zumindest der Umweltsenat aus einem Gutachten, das Anfang nächster Woche schriftlich vorliegen soll. Es soll eine juristisch wasserdichte Grundlage für eine Sanierungsanordnung der Behörde abgeben. Eigentlich sollte es bereits im März vorliegen. „Der ganze Boden auf dem Gelände muß bis vier Meter Tiefe ausgetauscht werden“, erklärte gestern Wolfgang Böhm vom Umweltsenat auf Anfrage. Mutmaßliche Kosten: 15 bis 20 Millionen Mark. Das gesamte 8.000 Quadratmeter große Gelände ist nach den jüngsten Erkenntnissen nicht nur mit Benzin und Dieselölen verseucht, sondern auch mit chlorierten Kohlenwasserstoffen, die krebserregend sein können. Zu den Stoffen, die den Boden bis in Tiefen zwischen vier und zehn Metern „erheblich verseucht“ haben, zählen außerdem chemische Verbindungen wie Benzole sowie Phenole.

Adressat der Sanierungsanordnung werde vermutlich die landeseigene Gesellschaft Behala als Grundstückseigentümerin sein, erklärte Böhm. Die Kosten der Sanierung hätte also einmal mehr der Senat zu tragen. Da verschiedene Nutzer seit 1936 auf dem Grundstück Tanklager für Alt- und Frischöle betrieben haben, ist der Verursacher der Verseuchungen vermutlich nicht mehr eindeutig zu ermitteln.

Die Firma SAG, Pächterin seit 1987, sei mit großer Wahrscheinlichkeit jedoch unschuldig, versicherte Böhm. Dennoch wird sie auch nach seiner Einschätzung die Sanierung um einige Jahre behindern. Der Grund: Die SAG will gegen den Abriß ihres Tanklagers klagen, der nach Ansicht des Senats bei einer Sanierung unvermeidlich ist. „Böhm ist ein falscher Fuffziger“, schimpfte Geschäftsführer Peter Schüttler gestern. Der Behördenmann habe ihm nämlich seinerzeit selbst geraten, das Grundstück für den Altölumschlag zu pachten.

Der Umweltsenat hatte die Firma in der Tat auch stets in der Ansicht unterstützt, sie brauche für ihr Tanklager keine abfallrechtliche Genehmigung. Der Umweltsenat befindet sich damit im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft. Sie ermittelt, wie berichtet, seit dem letzten Jahr gegen Schüttler wegen des Verdachts auf unerlaubtes Betreiben einer Abfallbeseitigungsanlage. Oppositionspolitiker hatten mehrfach kritisiert, der Umweltsenat sei von der SAG als einziger Berliner Altölumschlag-Firma abhängig und hintertreibe deshalb Genehmigung und Sanierung.

Daß der Boden hier verseucht ist, weiß die Behörde schon seit Jahren. In den siebziger und achtziger Jahren kam es mehrmals zu Ölunfällen. Von 1978 bis 1985 schöpfte der Umweltsenat bereits 30.000 Liter Öl vom Grundwasser ab. Bereits im Juli 1985 lag der Verwaltung ein Gutachten über Bodenverseuchungen auf dem Grundstück vor. Es gelang der Behörde damals jedoch nicht, eine Sanierung durchzusetzen. Bereits im letzten Jahr, so bestätigte Böhm gestern, hatten die Umweltschützer des Senats auch im Grundwasser unter dem Gelände chlorierte Kohlenwasserstoffe entdeckt. Mit Konzentrationen von bis zu 180 Mikrogramm pro Liter wurde der Grenzwert von 25 Mikrogramm deutlich überschritten. Noch hundert Meter unter der Oberfläche fanden sich die Giftstoffe. Brisant sind diese Verunreinigungen auch deshalb, weil das SAG-Gelände nur 50 Meter vom Wasserschutzgebiet Tiefwerder entfernt ist. Nur 600 Meter Luftlinie liegen zwischen den Brunnen der Wasserbetriebe, die ihr Wasser aus 40 bis 60 Meter Tiefe heraufpumpen, und dem verseuchten Grundstück. Bislang haben die Wasserbetriebe noch keine Gifte in ihren Brunnen entdeckt. Auch Böhm sprach gestern jedoch von einer „Gefahr“.hmt

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