Schwere Ausschreitungen in Haiti: Seit einem Jahr wird gewählt
Die Präsidentschaftswahl in Haiti wurde wegen Sicherheitsbedenken erneut verschoben. Danach kam es in der Hauptstadt zu schweren Ausschreitungen.
Ein Mann wurde offenbar von der aufgebrachten Menge tot geprügelt. Demonstranten errichteten Straßensperrungen, es kam zu Plünderungen. Die Polizei setzte Tränengas ein. Martelly versprach in einer Rede an die Nation, binnen 48 Stunden eine Übergangsregierung und bis Ende nächster Woche eine neue Wahlkommission einzusetzen.
Bei Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften vor dem Hauptquartier der Wahlkommission war bereits am Freitag ein Demonstrant von einer Kugel getroffen worden.Fahrzeuge wurden in Brand gesteckt und die Scheiben mehrerer Geschäfte eingeschlagen.
„Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um den Wahlprozess fair und glaubwürdig zu Ende zu bringen“, sagte Martelly, dessen Amtszeit regulär am 7. Februar endet. Die Wahlbehörde hatte kurzfristig die für Sonntag geplante Stichwahl um das Präsidentenamt abgesagt und dies mit starken Sicherheitsbedenken begründet.
Die Opposition wirft den Behörden Betrug und Wahlfälschungen in großem Umfang zugunsten des Regierungskandidaten Jovenel Moïse vor. Oppositionskandidat Jude Célestin hatte aus Protest bekannt gegeben, nicht mehr antreten zu wollen.
Das ärmste Land Lateinamerikas
Die EU äußerte sich besorgt über die angespannte Lage auf der Karibikinsel. Jetzt sei entscheidend, die Gewalt zu stoppen, teilte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini mit. Es müssten sich alle Akteure engagieren, um den Wahlprozess erfolgreich zu Ende zu bringen. Auch die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) mahnte zur Besonnenheit. Wegen der Ausschreitungen wurden mehrere internationale Flüge nach Port-au-Prince gestrichen.
Der Wahlprozess zieht sich bereits seit mehr als einem Jahr hin. Nachdem die Parlamentswahlen mehrfach verschoben wurden, hatte Martelly ab Januar 2015 per Dekret den Karibikstaat regiert.
Haiti ist das ärmste Land Lateinamerikas. Noch immer leidet es unter den Folgen eines verheerenden Erdbebens vor sechs Jahren, bei dem rund 300.000 Menschen starben und mehr als eine Million obdachlos wurden. Viele Millionen an Hilfsgeldern sind seitdem in dunklen Kanälen verschwunden. Auch der Regierung unter Martelly wird Korruption vorgeworfen.
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