Schweiß tropft und es reicht noch nicht

ROCK ’N’ ROLL The Black Angels aus Texas können den Surf und haben Humor. Das gefiel dem Publikum beim Berliner Gig im Lido sehr

The Black Crowes? Das war diese Südstaatenrock-Band, die schon zu ihren Glanzzeiten, also vor etwa zwanzig Jahren, retro klang. The Black Keys? Das ist das Garagenduo, das dank Elektroproduzent Danger Mouse jetzt klingt wie der neue heiße Scheiß. Black Mountain? Eine zu spät geborene Hippieband, die wahlweise zu tief in die Bong geguckt hat oder es einfach lieber hätte, wenn es für immer 1975 wäre. Black Rebel Motorcycle Club? Die späte kalifornische Antwort auf The Jesus & Mary Chain. The Black Lips? Äh, keine Ahnung. The Black Angels? Die hier. Die Band, die am Mittwochabend im ausverkauften Lido gespielt hat und, so simpel es klingt, als Melange aus all diesen schwarz daherkommenden Bands gelten kann.

Denn: Sie machen Progrock; sie lassen kein klassisches Rock-’n’-Roll-Schema aus; sie können den Surf und klingen gleichsam wie dauerstoned. Sie haben Humor, ein Händchen für Breaks, das coole Wissen, nicht in die überall lauernden Klischeefallen zu tappen, und meistens grooven sie mit Schwung und fieser Orgel. Sie sind die Band mit blonder Schlagzeugerin, Stephanie Bailey, und mit einem neuen Gitarristen, der Christian Bland in nichts nachsteht, und in seiner Jeansjacke ein wenig wirkt wie Pete Doherty. Aber kann sein, dass meine englisch orientierte Popsozialisation mit mir durchgeht, die amerikanische Antworten auf den Orgelrave der frühen neunziger Jahre hört, wo gar keine sind. Aber klingt die Stimme von Alex Maas nicht manchmal nach Shaun Ryder?

Es ist okay, Dude

Wie dem auch sei: Das Lido war voll, die Mischung der Leute angenehm, der Altersdurchschnitt ebenso. Tobte draußen rund um das Schlesische Tor noch der spätjugendliche Wahnsinn – für 25-jährige, dachte ich, muss Berlin wirklich das Paradies sein, während es für 40-jährige schon eher ein verlorenes Paradies ist – fanden sich hier eben Leute ein, die im Positiven mit den Spätausläufern des Rock ’n’ Roll ihren Frieden gemacht haben. Junge Frauen mit Frisuren mit abrasierten Seiten, ältere Herren mit Backenbart, und auch ein paar Jungs, die man früher in englischer Aussprache Psychos genannt hätte.

Die Black Angels aus Austin, Texas, existieren seit gut zehn Jahren und haben mit „Indigo Meadow“ vor Kurzem ihr viertes Album veröffentlicht. Natürlich geht es der Band irgendwie um Natur, Spiritualität, Geisterbeschwörung, Traumwelten, diesen ganzen Esokitsch und Hippiekram, allerdings in der postmodern gebrochenen Variante. Schließlich ist der Fuzzeffekt auf Bass oder Gitarre oder der schöne Telefonzellensound auf der Stimme nie weit. Verzerrung, darum geht es.

Eine dreiviertel Stunde lang ist das Konzert der live wieder auf fünf Mitglieder angewachsenen Band eine Erleuchtung. Der Stonergroove kommt gut, die Bong ist kein Pflichtprogramm, Wald, Wiesen und Holzfällerhemd haben sich in ein metrosexuelles Outfit verwandelt. Dann aber, der Schweiß tropft langsam aufs Display, ereilt die Black Angels doch das Schicksal all jener Drone-Bands: Irgendwann wiederholt es sich. Und dann müsste auch mal gut sein; doch Band und Publikum reicht es noch nicht. Sie spielen weiter.

Andererseits: Das ist schon okay. Ja, es ist okay, Dude.

RENÉ HAMANN