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Schweinswale in der NordseeWind-Lobby stoppt Walschutz

Nach dem Protest der Offshore-Industrie gehen die Nord-Länder auf Distanz zum Lärmschutzkonzept. Darunter leiden die Schweinswale.

Hat's gern leise: Schweinswal im Fjord-Belt-Sealand, Dänemark Bild: dpa

BERLIN taz | Die Planung war schon recht weit fortgeschritten. Am vergangenen Montag wollte Umweltminister Peter Altmaier (CDU) das „Schallschutzkonzept“ vorstellen, mit dem Schweinswale in der Nordsee vor dem Lärm der Baustellen von Windkraftwerken geschützt worden wären.

Geplant war eine Veranstaltung in Hamburg, wo sich wichtige Firmen der Branche befinden, zusammen mit Vertretern aller Küsten-Bundesländer, der Windkraft-Branche und von Naturschutzverbänden. Am 22. Juli wurde der Termin über den Verteiler geschickt, zusammen mit der letzten Fassung des Konzepts.

Doch drei Tage vor der geplanten Präsentation kam die dreizeilige Absage. Sie müsse „aus Termingründen“ verschoben werden. Ein neues Datum gibt es nicht; das Ministerium werde sich „zu gegebener Zeit wieder melden“, hieß es.

Schweinswalschutz

Schätzungsweise 55.000 streng geschützte Schweinswale leben in der Nordsee. Auf Lärm reagieren die Tiere sehr empfindlich. Bei lang anhaltendem oder sehr starkem Lärm ist eine dauerhafte Schädigung bis hin zur Taubheit möglich. Solcher Lärm tritt beim Bau von Offshore-Plattformen auf.

Um die Schall-Emissionen dabei zu verringern, sind verschiedene Techniken entwickelt worden. Gut erprobt sind so genannte Blasenschleier. Dabei steigen aus perforierten Schläuchen oder Rohren, die rund um die Rammstelle ausgelegt werden, Luftblasen auf. Ähnlich funktionieren Hydro-Schalldämpfer. Statt von aufsteigenden Luftblasen werden die Schallwellen dabei von einer Art kleiner Luftballons geschluckt. Eine andere Methode stellen Hüllrohre dar, die während des Rammens über die Fundamentstangen gestülpt werden.Als Kofferdamm bezeichnet man eine Technik, bei der ein trocken zugänglicher Bereich auf dem Meeresgrund geschaffen wird, in dem dann die Fundamentarbeiten stattfinden.

Reduzieren ließe sich der Lärm auch durch andere Verankerungstechniken, die aber noch nicht marktreif sind: Wenn die Fundamente nicht in den Boden gerammt, sondern gebohrt werden, entsteht weniger Lärm. Auch schwimmende Fundamente und Saugkonstruktionen werden erprobt.

Hinter den vorgeschobenen Termingründen steht ein Konflikt zwischen Naturschützern und Windkraftbetreibern, der mit dem neuen Konzept eigentlich beigelegt werden sollte. Über zwei Jahre hatten Bund und Länder, Wirtschaft und Umweltverbände um den Plan gerungen, der die Interessen des Naturschutzes mit denen der Offshore-Windkraft in Einklang bringen sollte.

„Akzeptabler Kompromiss“

Kernpunkt des Konzeptes ist es, die Flächen der Nordsee, in denen der Lärm für Schweinswale zu hoch ist, zu begrenzen: Maximal 10 Prozent der Gesamtfläche sowie im Sommer maximal 1 Prozent eines besonders wichtigen Gebiets nordwestlich von Sylt dürfen demnach gleichzeitig beeinträchtigt sein.

Um das zu erreichen, müssen die Betreiber von Offshore-Anlagen ihre Baustellen wohl zum einen mit mehr Lärmschutzvorrichtungen versehen. Zum anderen wäre eine stärkere zeitliche und örtliche Koordinierung der verschiedenen Offshore-Baustellen notwendig.

Experten halten den Plan für gelungen. „Das ist ein gutes Konzept: Es hilft der Natur, ohne die Energiewende zu behindern“, sagt etwa Jochen Flasbarth, Präsident des Umweltbundesamtes. Den Umweltverbänden ging das Konzept zwar nicht weit genug – etwa weil bereits genehmigte Anlagen ausgenommen sind. „Aber als Grundlage für eine spätere Weiterentwicklung ist es ein akzeptabler Kompromiss“, sagt etwa Kim Detloff vom Naturschutzbund (Nabu). Auch aus den Bundesländern soll grundsätzliche Zustimmung gekommen sein.

Auch Grüne auf Distanz

Doch die ist Ende Juli gekippt – und zwar offenbar nach einer Intervention der „Stiftung Offshore-Windenergie“, hinter der vor allem die Betreiberfirmen stehen. Sie warnte die Wirtschafts- und Umweltminister von Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein schriftlich vor einer Zustimmung zum Konzept. Um Investitionen nicht zu gefährden, sollten die Länder „dringend um eine Überarbeitung des Konzepts“ bitten, heißt es im Schreiben der Stiftung, das der taz vorliegt.

Vor allem Hamburg stellte sich daraufhin nach taz-Informationen entschieden gegen die Veröffentlichung. Doch auch die Grünen-Umweltminister von Schleswig-Holstein und Niedersachsen gingen vorsichtig auf Distanz. Trotz „guter Ansatzpunkte“ seien „einzelne Fragen noch zu diskutieren“, teilt Robert Habeck mit. Auch der Niedersachse Stefan Wenzel sieht noch „Diskussionsbedarf“ über den „Rechtscharakter“ des Konzepts.

Altmaier, der ohne Unterstützung der rot-grünen Länder offenbar nicht handeln will, hat sich nun direkt an die Ministerpräsidenten gewandt, um eine Einigung zu erreichen. Das Konzept stelle eine „Balance zwischen den Erfordernissen des Windenergieausbaus und dem Schutz der Schweinswale“ her, schreibt er.

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5 Kommentare

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  • W
    winststill

    Hier zeigt sich der Fundamentalismus der energiegewendeten Windkraft-Lobbyisten.

     

     

     

    Vogelschredder abschalten !

  • S
    SirKiebitz

    Na also wirklich. Wollen wir jetzt weiter die Atomkraftwerke in Fukushima und Tschernobyl strahlen lassen? Sofort abschalten. Solar, Wind und Biomasse in die Steckdosen! Jetzt! Opfer müssen gebracht werden. Und nachdem man Hamster umsiedeln kann, wird man das mit Schweinswalen erst recht können. Da muss die Umwelt wegen der Umwelt schon zurückstecken können.

  • G
    Gast

    Zitat: "Wenn es dem Klima dient, muss die Natur mal zurückstehen". Ersetze "Klima" durch Mensch, Arbeitsplätze, Wachstum, Wohlstand, Infrastruktur, Wohnraum - mit diesem Satz wird seit Jahrzehnten jedes Zurückdrängen der Natur gerechtfertigt. Und mittlerweile gibt es kaum noch Raum, in dem Tiere zurückweichen können und Hunderte Arten sind vom Aussterben bedroht und stehen auf Roten Listen. Bei aller Sinnhaftigkeit der Energiewende sollten wir nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen und auch nicht vergessen, dass auch Windkraftunternehmen zuallererst mal gewinnorientierte Unternehmen sind. Ein Kompromiss ist möglich und hier war er sogar fast schon erreicht. Schade.

     

    P.S.: Und eine bedrohte Art einfach so nachzuzüchten, wenn keine Lebensräume mehr verfügbar sind, wird schwierig...

    • @Gast:

      Die Natur ist da dem Menschen als Lebensraum zu dienen. Darum geht es beim Umweltschutz. Den Schutz unseres Lebensraums uns zuliebe.

       

      Es geht nicht um die Walviecher. Natürlich ist Menschlicher Wohlstand wichtiger als das der Viecher. Sollen die doch ihren eigenen Staat gründen.

  • E
    energiewender

    Wenn es dem Klima dient, muss die Natur mal zurückstehen. Die Energiewende ist richtig und unaufhaltsam. Schweinswale kann man nachzüchten oder sie weichen halt in Gegenden aus, wo es ihnen besser gefällt. Wir können doch nicht die Energiewende von den vermeintlichen Bedürfnisse irgend welcher Tiere abhängig machen!