Schweinegrippe: Die Hysterie nimmt ab
Die Gefühle von Bedrohung wegen der Schweinegrippe schwinden, sagen die Ärzte und behandeln zumeist konventionell. Bei einem leichten Verlauf wird wie bei der normalen Grippe behandelt.
BERLIN taz | Die Allgemeinärztin Regina Schulze in Berlin-Tempelhof hat ein Schild mit einem rosa Schweinchen im Fenster hängen. Jeder, der möchte, kann sich bei ihr gegen Schweinegrippe impfen lassen. An ihren Impfnachmittagen kommen 20 bis 30 Leute in die Praxis, um sich die immunisierende Spritze geben zu lassen. "Ich habe genug Impfstoff", sagt Schulze. Von langen Wartelisten keine Spur.
"Es gibt bei den Patienten nicht mehr diese Hysterie", beobachtet Stephan Bernhardt, Allgemeinarzt in Berlin. Obwohl sich in Deutschland die Infektionen mit dem H1N1-Virus weiter ausbreiten, schwinden die Gefühle von Bedrohung. "70 bis 80 Prozent" seiner jungen Patienten mit fiebrigen Erkrankungen hätten die Schweinegrippe, schätzt der Kinderarzt Ulrich Fegeler in Berlin, Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte in Deutschland.
Die Diagnose werde in seiner Praxis nach den klinischen Symptomen gestellt, sagt Fegeler. Für Abstriche und Labordiagnostik ist in vielen Praxen der Andrang zu groß geworden. Kommen die Patienten bereits erkrankt, hilft eine Impfung ohnehin nicht mehr.
Fegeler behandelt die Schweinegrippe wie andere fiebrige Erkrankungen auch, etwa mit Ibuprofen. Nur in einem Fall mit schwererem Verlauf habe er das Grippemittel Tamiflu gegeben, berichtet der Kinderarzt. Man empfehle aus medizinischer Sicht nicht mehr, im Falle von Erkrankungen in der Schule oder in Kindertagesstätten etwa Klassen oder Kitagruppen zu schließen, sagt Marie-Luise Dittmar, Sprecherin der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz in Berlin.
Verschieden gehandhabt wird die Frage, inwieweit Schwangere, die als besonders gefährdet gelten, vom Arbeitsplatz fernbleiben dürfen. Das für Nordbaden zuständige Staatliche Schulamt in Mannheim empfiehlt inzwischen schwangeren Lehrerinnen, zu Hause zu bleiben, berichtet die Ärzte Zeitung Online.
Die bislang verfügbaren Impfstoffe schützen auch gegen mutierte Schweinegrippeviren. Das berichtete das Robert-Koch-Institut in Berlin am Montag unter Berufung auf Studien der Weltgesundheitsorganisation. In Norwegen beobachtete Virusveränderungen seien Einzelfälle und nicht im Land verbreitet.
Bis zum Freitag wurden dem Robert-Koch-Institut in Deutschland 34 Todesfälle gemeldet. Lediglich bei drei von ihnen waren keine Risikofaktoren bekannt. Bis Montag gab es zwei weitere Grippetote, ein 11-jähriges schwerstbehindertes Mädchen in Niedersachsen und eine 64-jährige schwerkranke Frau in Berlin.
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