Schweinegrippe beeinflusst Ökonomie: Wirtschaft ist verschnupft
Die Schweinegrippe verunsichert die Finanzmärkte und könnte die Wirtschaftskrise weiter verschärfen. Einige jedoch profitieren von der Seuche, nicht nur die Pharmaindustrie.
Anleger fürchten, die Schweinegrippe könnte den Weltwirtschaftsabschwung verstärken. Der DAX startete am Dienstag daher mit leichten Verlusten. Vor allem die Aktienkurse von Transport-, Tourismus- und Energiekonzernen waren betroffen, denn diese Branchen leiden unter der Schweinegrippe als Erste. Die Konsumenten lassen sich derzeit offensichtlich noch nicht von der Grippe abschrecken.
"Die Leute nehmen es gelassen hin", sagte eine Sprecherin des Lastminute-Reiseanbieters Ltur der taz. "Man kann weder von einem panischen Umbuchen noch von einem Run auf mögliche Schnäppchentickets sprechen." Zwar hätten drei Kunden ihre Mexiko-Reise mittlerweile umgebucht. Doch dafür seien zwei neue Mexiko-Buchungen eingegangen.
Bei Tui gibt man sich ebenfalls entspannt. Derzeit seien 1.000 Tui-Touristen in Mexiko. Dreistellige Anfragen hätte es bereits gegeben wegen Umbuchungen oder Stornierungen. Es dann tatsächlich getan hätte nur jeder Zehnte. Auch das sei kein Problem - insgesamt mache Mexiko nur 0,5 Prozent des Passagiervolumens von Tui aus und die Hochsaison sei schon vorbei. Eine Sprecherin von Thomas Cook sagte der taz, dass bei dem Unternehmen bisher keine einzige Stornierung eingegangen sei.
In der Luftfahrt fielen die Aktienkurse zeitweise zweistellig. Der Ausbruch der Seuche könne zeitlich nicht schlechter liegen, sagte Giovanni Bisignani, Geschäftsführer des Fluggesellschaftsverbands International Air Transport Association. Bereits durch die Wirtschaftskrise sei die Nachfrage am Flugtransport erheblich zurückgegangen. Es sei allerdings noch zu früh, die Auswirkungen der Schweinegrippe einschätzen zu können.
"Momentan ist noch nichts zu merken", sagte ein Sprecher der Lufthansa. Außerdem habe man von der Lungenkrankheit Sars gelernt. Sie hatte 2003 den Tourismus in Asien ein halbes Jahr lang gelähmt. Bei manchen Fluggesellschaften blieb die Hälfte der Maschinen auf dem Boden. Die Angst vor einer Wiederholung drückte daher auch die Aktienkurse von Energiekonzernen wie Exxon Mobil und Chevron. Der Ölpreis fiel unter 50 Dollar pro Barrel.
In Mexiko ist der Handel mittlerweile nahezu vollständig zum Erliegen gekommen. In der Hauptstadt trauen sich nur noch wenige Menschen auf die Straße. Die Einzelhändler dort schätzen ihre Einnahmeausfälle auf 40 Millionen Euro jeden Tag. Den Gastronomen bleiben die Kunden ganz aus - Restaurantbesuche sind untersagt. Auch die Reisebüros bleiben leer. Wie es mit der Wirtschaft des Schwellenlandes weitergeht, zu dessen Haupteinnahmequellen der Tourismus zählt, ist unklar. Die Weltbank hat dem Land eine Soforthilfe von 25 Millionen Dollar bewilligt und weitere 180 Millionen Dollar Kredit genehmigt. Nach Krisepleiten verschärft sich die Lage für einige Länder nun auch noch durch die Schweinegrippe. "Wir sind darauf vorbereitet, unsere Mittel für Mexiko und andere Länder aufzustocken", versichert Keith Hansen, Weltbank-Manager für Gesundheit.
Könnte die Angst auch hierzulande den Konsum bremsen? "Im Augenblick sehe ich das für Deutschland nicht", sagte Wolfgang Twardawa von der Gesellschaft für Konsumforschung der taz. "Es könnte natürlich sehr schnell kippen." Als Exportnation würde Deutschland auch leiden, wenn es selbst nicht direkt von der Schweinegrippe betroffen wäre, etwa wenn der Konsum in den USA weiter einbrechen würde. Behindern könnten den internationalen Handel auch Reisebeschränkungen, die die Weltgesundheitsorganisation am Dienstag ausdrücklich nicht empfahl. Dennoch gehen manche Länder längst eigene Wege. So verbieten China und Russland die Einfuhr von Schweinefleisch, obwohl sein Verzehr den Virus nicht überträgt. Schweinefleischexporteure wie die USA könnten dies zu spüren bekommen. Die Exporte stellen einen Markt von 5 Milliarden Dollar dar.
Importprodukte werden für die Amerikaner jedoch billiger, denn der Euro fiel zeitweise unter 1,30 Dollar. Die Hersteller von Grippe-Medikamenten Roche und GlaxoSmithKline zählen ebenfalls zu den Gewinnern. Auch die Bundesregierung kann sich freuen: Die risikoscheuen Anleger flüchten sich verstärkt in Bundesanleihen. Der Zins für zehnjährige Staatsanleihen fiel auf 3,109 Prozent. Das heißt, der Bund kann nun günstiger an neues Geld kommen.
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